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Weitere Initiativen beruhen auf heterogenen Zusammenschlüssen staatlicher und zi-
vilgesellschaftlicher Akteure. Darunter fällt die 2017 von der niederländischen Regie-
rung, dem Hague Center for Strategic Studies und dem East-West Institute eingerich-
tete Global Commission for the Stability of Cyberspace (GCSC). Unter deren zentralen
Normen findet sich die Verpflichtung, keine Angriffe gegen die Kerninfrastruktur
des Internets (Public Core) durchzuführen. Ebenso seien demokratische Prozesse
(Wahlen, Referenden) Tabu. Nichtstaatliche offensive Operationen seien grundsätzlich
illegitim. Damit geht die GCSC einen Schritt weiter als der Paris Call for Trust and Se-
curity in Cyberspace, den der französische Präsident Emmanuel Macron im November
2018 initiierte. Im Call heißt es nur, dass Maßnahmen getroffen werden müssten, um
Hackbacks privater Akteure zu vermeiden. Besonders herausgestellt wird der Schutz
demokratischer Wahlen und des Public Core des Internets, etwa des Domainnamen-
systems. Ebenso seien Staaten und Unternehmen verpflichtet, die Proliferation von
Schadsoftware einzudämmen. Auf ihrer Website spricht sich die Initiative dafür aus,
die Zusammenarbeit mit ethischen Hackern durch geeignete Belohnungs- und Be-
richtssysteme zu stärken.
Vertrauensbildende Maßnahmen: Auf bilateraler Ebene gehört zur Entwicklung
vertrauensbildender Maßnahmen die Verstärkung direkter Kommunikationskanäle
zwischen nationalen Cyber-Behörden, wie sie die US-Regierung unter Barack Obama
mit China und Russland vereinbarte („heißer Draht“). Auch das bilaterale amerika-
nisch-chinesische Abkommen zur Einschränkung von Cyberspionage 2015 stellte
eine erste vertrauensbildende Maßnahme dar. Seit dem Amtsantritt Donald Trumps
stehen die Zeichen jedoch auf Konfrontation. Größere Fortschritte werden vor allem
im regionalen Kontext erzielt. So erarbeitete die OSZE einen breiten Katalog vertrau-
ensbildender Maßnahmen. Diese beinhalten die Benennung von Point of Contacts
zur Krisenkommunikation, gegenseitige Informationspflichten bei Cyberangriffen,
die Offenlegung staatlicher Doktrinen sowie die Erarbeitung einer gemeinsamen
Terminologie. Vergleichbare Bemühungen existieren im Rahmen von ASEAN und der
Organisation Amerikanischer Staaten (OAS).
Mittelfristig könnten gemeinsame Standards für die Attribution von Cybervorfällen
ein wirksames Instrument sein, um die Stabilität im Cyberraum zu erhöhen. Denn
dadurch könnte zwischen international legitimen und illegitimen Beschuldigungen
und Sanktionierungen unterschieden werden. Noch einen Schritt weiter gehen Vor-
schläge zur Einrichtung eines transnationalen Attributionskomitees, in dem sich
unabhängige Experten um die Aufklärung brisanter Cybervorfälle bemühen. Eine
solche Institution könnte die Voraussetzung für ein international akzeptiertes An-
prangern von Angriffen schaffen, wodurch Verstöße gegen Verhaltensnormen kost-
spieliger und seltener würden. Transnationales
Attributionskomi-
tee zur Aufklärung
von Cybervorfällen
einsetzen
friedensgutachten / 2020
Friedensgutachten 2020
Im Schatten der Pandemie: letzte Chance für Europa
- Title
- Friedensgutachten 2020
- Subtitle
- Im Schatten der Pandemie: letzte Chance für Europa
- Publisher
- transcript Verlag
- Date
- 2020
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-8394-5381-0
- Size
- 21.0 x 28.5 cm
- Pages
- 162
- Keywords
- Frieden, Bewaffnete Konflikte, Sicherheit, Internationale Politik, Entwicklungszusammenarbeit, Krieg, Gewalt, Politik, Konfliktforschung, Globalisierung, Politikwissenschaft
- Category
- Recht und Politik