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hängeBrücken in der neuen Welt
In einem Bericht über das Innere von Honduras benutzte
John Cockburn als Bezeichnung für Hängebrücke im
Englischen den Ausdruck “hammock-bridge“ (Cock-
burn 1803/1735:44-45), was Hängematten-Brücke
in deutscher Sprache bedeutet. Stephens selbst schreibt
in einem späteren Bericht (Stephens 1841:II, 241), dass
die Indios eine über die Astgabeln zweier Bäume rechts
und links eines Flusses in der Nähe von Huehuetenan-
go in Guatemala gespannte Hängebrücke, die dort an-
geblich bereits seit “Menschengedenken“ bestanden
habe, als “La Hamaca“ bezeichneten.
Etwas weiter hinten liest man bei Stephens, dass bei
einer bestimmten Art von Sänften der Sitz längs an eine
Stange angebunden wird und wie eine Hängematte
aussieht. Mit Hilfe der Stange wird eine solche Sänfte
von zwei Personen getragen. Im Raum um Ocosingo
in Mexiko seien solche Sänften für den Transport von
wichtigen Persönlichkeiten und Personen wie beispiels-
weise “Padres“, gebräuchlich. Derartige Sänften wur-
den ebenfalls “hamaca“ genannt.
Der Mayaforscher Karl Herbert Mayer sah und foto-
grafierte auf einer seiner zahlreichen Mesoamerika-
Fahrten 2001 im Peten in Guatemala in der Chiqui-
bul Region bei Altagracia eine moderne Hängebrücke
über den Río Chiquibul, bei der ein Schild auf die “pu-
ente hamaca“ hinwies. Das alles belegt, dass der Be-
griff “hamaca“ allgemein auf hängemattenähnliche,
zugbeanspruchte Objekte angewandt wurde und wird.
Daher ist sehr wahrscheinlich, dass der in mehreren
Punkten etwas zweifelhafte Bericht von Fuentes und
Guzman über Copan aus dem Jahr 1689, der offen-
sichtlich nicht aus eigener Anschauung geschrieben
wurde, bezüglich der “steinernen Hängematte“ zutrifft
und nur falsch übersetzt wurde. Im Originaltext wird der
Begriff “hamaca“ verwendet. Es dürfte sich daher nicht
um eine Hängematte, sondern um eine Hängebrücke
und wohl um eine über den Copán-Fluss gespannte ge-
handelt haben, bei der die Lauffläche nicht aus Holz-
brettchen, sondern aus eher dünnen kurzen Steinstäben
des örtlichen Tuffits bestand (Hohmann 1984:3).
Natürlich ist von dieser Brücke nichts erhalten geblieben
und daher kennt man nicht einmal ihre gesicherte
Position. Es gab aber auf der östlichen Seite des Río
Copan einen ausgedehnten Siedlungsraum und auch landwirtschaftlich genutzte Flächen. Außerdem lagen
auf der Ostseite des Flusses die Stele 12 hoch über
dem Talraum sowie ein wohl relativ frühes Krötenheilig-
tum. Um all das zu erreichen, war eine Brücke über den
Fluss sinnvoll und notwendig. Am stärksten wurde so
eine Brücke im Zentrum von Copan gebraucht.
Da die meisten der Bewohner von Copan im 9. Jh. die
Stadt aus welchen Gründen auch immer verlassen
haben dürften, konnte der Copán-Fluss in der Zeit da-
nach ungehindert sein Bett verändern und sich spätes-
tens im 19. Jh. über eine Strecke von mehr als 150 m
in die Akropolis durch Unterwaschungen, Abbrüche,
Erdbeben und Erosion eingraben. Dadurch entstand
zumindest einer der weltweit längsten und höchsten
natürlich entstandenen fast vertikalen Schnitte durch
eine archäologische Zone. Seine Höhe erreichte
bis zu etwa 34 m. Zur Zeit der Maya-Klassik verlief
der Copán-Fluss an der Ostseite der Akropolis wohl
etwa 45 m weiter östlich in einem wohl künstlich ge-
fassten Flussbett in Nord-Süd-Richtung. Schon die groß-
formatigen Fotos von Alfred Percival Maudslay aus der
Zeit knapp vor 1900 zeigen auf der Ostseite des Flus-
ses nicht einmal mehr Hügel.
Eine sinnvolle Position für die Brücke ist die Südostecke
der Akropolis von Copan. Hier lag der westliche An-
tritt der Brücke vor dem in der Regenzeit mitunter Hoch-
wasser führenden Copán-Fluss hoch genug und man
brauchte sie nur an gut im Mauerwerk der Akropolis
verankerten Seilhaltern zu befestigen. Von hier dürfte sie
zu einem Bauwerk auf der gegenüberliegenden Seite
des Copán-Flusses gespannt gewesen sein. Das ver-
mutete gegenüberliegende Bauwerk ist offensichtlich
durch die Erosionstätigkeit des Copán-Flusses und auch
durch die künstliche Flussverlegung nach Osten im frü-
hen 20. Jh. verloren gegangen.
Die Flussverlegung erfolgte nach einem verheerenden
Erdbeben 1934, bei dem gleich mehrere Maya-Bauten
über dem Copán-Fluss in Kombination mit vorherigen
Unterwaschungen verlorengingen. Die Verlegung hatte
das Ziel, die Akropolis gegen weitere Erosion zu schüt-
zen. Damals wurde der Río Copán weiter nach Süd-
osten in ein neu ausgegrabenes Flussbett verlegt. Als
man später erkannte, dass ein Teil des Siedlungs-
raumes der Maya-Stadt Copan weiter südlich durch
den Fluss immer noch gefährdet war, wurde 1970 eine
Frühe Brücken
Zug- oder druckbeanspruchte Konstruktionen, kreative, innovative und interessante Brücken
- Title
- Frühe Brücken
- Subtitle
- Zug- oder druckbeanspruchte Konstruktionen, kreative, innovative und interessante Brücken
- Author
- Hasso Hohmann
- Publisher
- Technische Universität Graz
- Location
- Graz
- Date
- 2021
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-85125-833-2
- Size
- 20.0 x 27.0 cm
- Pages
- 306
- Categories
- Geschichte Historische Aufzeichnungen