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Frühe Brücken - Zug- oder druckbeanspruchte Konstruktionen, kreative, innovative und interessante Brücken
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Page - 112 - in Frühe Brücken - Zug- oder druckbeanspruchte Konstruktionen, kreative, innovative und interessante Brücken

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112 Frühe Brücken “Grosse-Hängebrücke“ in Freiburg in der Schweiz Freiburg im Kanton Freiburg in der Westschweiz ist eine typische Stadt in den Alpen mit starken Höhenunter- schieden. Daher war und ist Freiburg auch heute noch eine Stadt vieler Brücken. Im 19. Jh. war in Freiburg vor allem der französische Konstrukteur Joseph Chaley für zwei innovativ konstruierte spektakuläre Brücken ver- antwortlich, die wohl auch für die späteren Stahlseil- brücken in aller Welt ein Vorbild wurden. Zu einer Zeit, als in ganz Europa Hängebrücken gerade erst mit Ket- ten konstruiert wurden, dachte Chaley darüber nach, wie man die Herstellung extrem vieler Kettenglieder und auch das mühsame Zusammenschmieden von ihnen um- gehen kann. So experimentierte er mit geschmiedeten Drähten und wie man diese verarbeiten kann. Die Brü- cken mussten zunächst noch keine besonders großen Lasten tragen und konnten daher noch sehr leicht konst- ruiert werden. Die Hängebrücken des 19. Jh. in Freiburg wirkten daher trotz ihrer zum Teil erheblichen Spann- weiten wie horizontale Striche in der Landschaft. Die Grosse-Hängebrücke von Freiburg, der Grand Pont Suspendu über den Fluss Saane hatte eine Gesamt- länge von 379 m und eine stützenfreie Spannweite von 273 m. Sie war damit fast 100 m länger als die Me- nai-Kettenbrücke in England, die nur acht Jahre vorher fertiggestellt worden war. Die Brücke in der Schweiz verwendete bereits zwei jeweils gesplittete Kabel mit jeweils über 1000 Schmiedeeisendrähten und nutzte so eine wegweisende neue Technik. Erfinder der Draht- seil-Hängebrücken war aber sein Lehrer, der Franzose Marc Seguin. Charley hatte 1829 bei Marc Seguin gearbeiten und war bei ihm an der Planung von zwei Brücken auch be- teiligt. Marc Seguin hatte bereits 1823 mit der Passerel- le de Saint-Antoine in Genf die ersten zwei Drahtseil- Hängebrücken der Welt errichtet, die zur Querung der Gräben der Festungsanlage von Genf als Fußgänger- brücken geplant waren und noch vergleichsweise be- scheidene 33 m freie Spannweite hatten. Als die Fes- tung von Genf 1849 abgerissen wurde, gingen auch die zwei Brücken nach nur 26 Jahren wieder verloren. Die Kabel der Grossen-Brücke in Freiburg wurden über zwei mächtige gemauerte Portale mit jeweils 22,2 m Höhe und 14 m Breite gespannt, für die mehrere Alt- stadthäuser abgetragen werden mussten, und war 1834 mit Abstand die längste Hängebrücke auf unserem Glo- bus. Die Fahrbahn und auch die zwei Gehsteige waren durch die lichte Portalbreite von 5,86 m definiert und bestanden aus Holz wie auch die seitlichen Geländer. Dieses Material war recht leicht, musste aber über die Jahre immer wieder überprüft und gegebenenfalls aus- getauscht werden. Die Konstruktionsweise der zwei tra- genden Kabel der Brücke erlaubte außerdem, dass ihre Tragkraft sukzessive nachgerüstet werden konnte, was im Laufe der Zeit auch immer wieder mit der Zunahme des Verkehrs und der Erhöhung des Gewichtes der einzelnen Fahrzeuge, insbesondere nach Einführung von Personen- und Lastkraftwagen, notwendig wurde. Statt der sonst meist üblichen Ketten bei den vielen Hängebrücken des 19. Jh. wurden hier Tragseile aus durchgehenden, langen geschmiedeten Eisendrähten verwendet. Der Bau der Brücke dauerte von 1832 bis 1834. Für jede Seite der Brücke wurden zunächst 1056 durchlaufend geschmiedete Eisendrähte von nur 3 mm Durchmesser und etwa 400 m Länge zu zwei gewaltigen Schmiedeeisenkabeln nach einem aus- geklügelten System hergestellt und über jeweils drei 80 cm breite Rollen auf der rechten und der linken Seite auf jedem der Dächer der zwei Brückenportale ge- führt. Die zwei mächtigen Portale konnten direkt auf ge- wachsenem Fels gegründet werden und hatten so eine solide Basis. Die Verankerung der Taue erfolgte an vier Stellen nach einem speziellen System im gewachsenen Fels auf bei- den Seiten der Brücke. Dem potenziellen Problem der Korrosion wurde auf doppelte Weise begegnet. Um auch bereits die ersten Ansätze von Korrosion ent- decken zu können, ließ Joseph Chaley alle Brücken- elemente aus Eisen weiß einfärben. Andererseits waren die tragenden Kabel so geführt und verankert, dass man gewisse Teile austauschen und auch verstärken konnte. Die Brücke verrichtete immerhin von 1834 bis 1923 ihren Dienst. Zu dieser Zeit war sie bereits fast 90 Jahre im Einsatz. Danach bevorzugte man statt einer weiteren Verstärkung der alten Brücke den Bau einer druckbeanspruchten Betonbogenbrücke knapp dane- ben, die allerdings ein echter Raumteiler im Tal wurde und nichts von der Leichtigkeit der Brücken von Joseph Chaleys mehr zeigt.
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Frühe Brücken Zug- oder druckbeanspruchte Konstruktionen, kreative, innovative und interessante Brücken
Title
Frühe Brücken
Subtitle
Zug- oder druckbeanspruchte Konstruktionen, kreative, innovative und interessante Brücken
Author
Hasso Hohmann
Publisher
Technische Universität Graz
Location
Graz
Date
2021
Language
German
License
CC BY 4.0
ISBN
978-3-85125-833-2
Size
20.0 x 27.0 cm
Pages
306
Categories
Geschichte Historische Aufzeichnungen
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