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Brücken mit krAgkonstruktionen
Abb.: 118
Die Kraggewölbebrücke unterhalb von Su-
supillo in der peruanischen Provinz Huánu-
co. Unten rechts sieht man die Gischt des schnell
fließenden Baches tief unter der Brücke.
Fotos: Hasso Hohmann, Graz, 1996
Jede der Kragplatten wirkt im Gefüge einer solchen
Brücke wie ein eingespannter Stab, der vor allem an
seiner Vorderkante stark belastet wird und über die
Länge der auskragenden Zone an seiner Oberseite zu-
nehmend mit Zug- und an seiner Unterseite zunehmend
mit Druck belastet wird. An der Stelle, an der eine sol-
che Steinplatte frei auskragt, entsteht an der Oberseite
die höchste Zugbelastung und an der Unterseite die
höchste Druckbelastung. Insgesamt spricht man von
der höchsten “Momentenbelastung“. Bei den unters-
ten Kragsteinen der Brücke entsteht an dieser Stelle die
maximale Momentenbelastung. Das verwendete Stein-
material muss daher hier die größte Steinstärke auf-
weisen, damit es hier nicht zum Bruch der verwendeten
Platten kommt. Die Zugkraftaufnahmefähigkeit ist bei
Stein relativ begrenzt. Wird diese überschritten, kommt
es zum Bruch des Steines.
Victor W. v. Hagen fotografierte eine ganz ähnliche
Kragsteinbrücke mit einer Spannweite von neun Metern
im Gebiet von Carabaya in Peru (Hagen 1962:325).
Auch diese Brücke bestand aus sehr großen vor-
kragenden Steinplatten. Hagen meint im begleitenden
Text, dass mit einer solchen Spannweite bei diesem
Konstruktionsprinzip wohl die Grenze des Machbaren
erreicht sei, womit er sicher Recht hat.
Obwohl mehrere präkolumbische Kulturen in Mesoa-
merika und auch in Südamerika mehrfach das echte
Schlusssteingewölbe ab etwa dem Beginn unserer Zeit-
rechnung verwendet haben, also das konstruktive Prin-
zip des Schusssteinbogens mindestens 1500 Jahre vor
Kolumbus bereits kannten, wurde fast ausschließlich das
Kraggewölbe vor allem als beständige Deckenkons-
truktion bei Profan- und auch bei Sakralräumen ver-
wendet. Bei den Vorkraggewölben der Maya werden
der hohen Momentenbelastungen des Steinmaterials
am Gewölbefuß wegen sehr oft die drei unteren Krag-
steinscharen von jeweils zwei gleichweit auskragenden
und gleich hoch ausgeformten Gewölbesteinen ge-
bildet, wodurch viele Mayagewölbe von Weitem be-
trachtet unten etwas steiler und nach oben hin flacher
werden und so eine leicht gerundet wirkende Form der
Bogen- oder Gewölbeuntersicht erhalten. So sinkt vor
allem die Gefahr des Brechens der Gewölbesteine.
Frühe Brücken
Zug- oder druckbeanspruchte Konstruktionen, kreative, innovative und interessante Brücken
- Title
- Frühe Brücken
- Subtitle
- Zug- oder druckbeanspruchte Konstruktionen, kreative, innovative und interessante Brücken
- Author
- Hasso Hohmann
- Publisher
- Technische Universität Graz
- Location
- Graz
- Date
- 2021
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-85125-833-2
- Size
- 20.0 x 27.0 cm
- Pages
- 306
- Categories
- Geschichte Historische Aufzeichnungen