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Frühe Brücken
Ströhberne Bruck’n in
Edelschrott in Österreich
In der österreichischen Gemeinde Edelschrott auf der
steirischen Seite der Pack, einem Passübergang nach
Kärnten, etwas abseits der Bundesstraße an der Ein-
mündung des Guggibaches in den Hierzmannstausee
steht die sogenannte “Ströhberne Bruck’n“. Sie war frü-
her die Verbindung zur Herzogberg-Gemeindestraße
über den Teigitschbach. An dieser Stelle stand schon
seit mehr als 300 Jahren eine strohgedeckte Brücke.
Schon der steirische Barock-Kartograph Georg Mat-
thäus Vischer verzeichnete die Brücke über die Teigitsch
in seiner Steiermarkkarte von 1678 und nannte sie die
“Ströhebruck“.
Die inzwischen denkmalgeschützte und wieder neu
eingedeckte Überdachung der heutigen Ströhbernen
Bruck’n ist eine Holzbrücke mit einem Alter von etwas
mehr als 200 Jahren. Sie ist außerdem heute vielleicht
die einzige strohgedeckte Brücke in der Steiermark.
Zwei der originalen Lärchenholzbalken tragen auf der
Seite zur Fahrbahn die Jahreszahl 1816, das Jahr ihrer
letzten Errichtung. Ursprünglich war die Brücke 14 m
lang und von der Konstruktion her ein einfaches Spreng-
werk mit einer Hängekonstruktion zur Unterstützung der
Fahrbahn in den Drittelpunkten.
Hierbei fungieren die jeweils drei Balken des Spreng-
werks, die man auf Abb. 161 gut auf der rechten Seite
des Geländers sieht, wie ein Druckbogen. Alle drei Bal-
ken werden auf Druck beansprucht. Die in den zwei
Knotenpunkten vertikal kreuzenden Balkenpaare hin-
gegen haben eine Doppelfunktion; sie stützen nach
oben das Dach und nehmen daher oberhalb des Kno-
tens Druckkräfte auf. Unterhalb des Knotens hingegen
sind sie auf Zug beansprucht. Die entsprechenden
Balkenpaare beider Brückenseiten bilden unter der
Gehfläche mit je einem weiteren Balken einen quer-
laufenden Bügel, auf dem die Lauffläche in den Drittel-
punkten lastet.
Um 1950, als der Teigitschbach zum Hierzmannsee
aufgestaut wurde, musste auch die Brücke verlegt wer-
den. Dabei verkürzte man ihre Länge um 2,50 m auf
11,50 m. Weiters verstärkte man die alte Konstruktion
durch ein untergestelltes zweites Sprengwerk, so dass
sich ihre Tragfähigkeit von 3 t auf 6 t erhöhte. Außerdem
35,10 m und haben eine lichte Stichhöhe von 13,30 m
über dem Fluss bei normalem Wasserstand. Um ein
Desaster wie das nach ihrer ersten Errichtung 1673 zu
vermeiden, wurden die Steinelemente der gemauerten
Pfeiler an der bugförmigen Spitze mit eisernen Doppel-
schwalbenschwänzen zusammengehalten. Nach ihrer
Fertigstellung durfte die Brücke zunächst nur vom Auf-
traggeber und von Privilegierten benutzt werden, später
auch von allen anderen Japanern aus der Stadt Iwakuni.
1950 geschah das fast Unvorstellbare: Der Taifun Kezia
war stärker als alle anderen Taifune der davorliegenden
276 Jahre und riss die Brücke nochmals fast völlig ein.
Sie musste großteils ein drittes Mal errichtet werden. Nur
die äußeren zwei Felder der 1674 errichteten Brücke
konnten erhalten werden. Sie sind heute durch fünf statt
nur zwei Reihen von Stützen unter der Holzkonstruktion
zusätzlich gestützt. Über diese zwei Brücken wird auch
der horizontale Schub von den mittleren drei hohen und
weitergespannten Bögen auf die Uferzonen abgeleitet.
Frühe Brücken
Zug- oder druckbeanspruchte Konstruktionen, kreative, innovative und interessante Brücken
- Title
- Frühe Brücken
- Subtitle
- Zug- oder druckbeanspruchte Konstruktionen, kreative, innovative und interessante Brücken
- Author
- Hasso Hohmann
- Publisher
- Technische Universität Graz
- Location
- Graz
- Date
- 2021
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-85125-833-2
- Size
- 20.0 x 27.0 cm
- Pages
- 306
- Categories
- Geschichte Historische Aufzeichnungen