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27 versäumt, die universalistischen, hegemonialen und normativen Positionen
transparent zu machen, von denen aus kulturelle und politische Urteile gefällt
werden (ebd.: 209). Im Konzept der kulturellen Diversität gebe es immer die
Einen, die bestimmen, wer anders ist, wer dazugehört und wer nicht. Die
Einen, so Bhabha, bestimmten auch, wer mit wem in Kontakt treten sowie
was, in welcher Form und wie lange miteinander kommuniziert werden dĂĽrfe.
Die Einen definieren also kulturelle Diversität und die Anderen werden als
kulturell divers festgeschrieben. Dabei werden ethische, ästhetische oder
ethnologische Kategorien gebildet und verglichen. Homi Bhabha kritisiert,
dass die Idee eines Multikulturalismus nur bestehen kann, indem verschie-
denste Formen von Andersheit fixiert wĂĽrden, sich bei Gelegenheit auch
einseitig austauschten — jedoch ohne dass sie einander dabei tiefergehend
beein flussten. Dem Wandel, in dem sich Menschen (regional und global
betrachtet) ständig befinden, könne, so Bhabha, nicht Rechnung getragen
werden, indem vorgegeben werde, dass Kultur durch empirisches, enzyklopä-
disch geordnetes Wissen bestimmbar sei. Im Gegenteil wĂĽrden derlei uni-
versalis tische Bestrebungen lediglich dazu beitragen, ethnozentrische Werte,
Interessen, Normen und Rassismen zu verdecken und zu reproduzieren. Kul-
turelle Inhalte und Gewohnheiten werden als gegeben anerkannt. Die starren
Universalkategorien unterstützten ein Kulturverständnis, das sich an tradi-
tionellen, festgefahrenen Bildern der Anderen orientiere (ebd.: 209ff.). Kultu-
relle Diversität werde in pluralistischen, demokratischen Gesellschaften
gefeiert und gelte so lange als gut, als sie sich innerhalb des vorherrschenden
kultu rellen Rahmens in einer Art musée imaginaire sammeln und bewundern
lasse (ebd.: 208). Damit werde verschiedenen historischen, politischen und
sozialen Kontexten durchaus Rechnung getragen. Das Wissen ĂĽber kulturelle
Diversität werde über verschiedene Kanäle (Schulbücher, Bildbände, Enzyklo-
pädien, Fernsehdokumentationen etc.) verbreitet und für den Unterhaltungs-
und Freizeitmarkt aufbereitet (in Museen, Weltausstellungen, auf Reisen,
Fol kloreveranstaltungen etc.). Die Problematik dieser liberalen Tradition sieht
Homi Bhabha darin, dass in ihr Kultur nur einseitig, nämlich aus dem Blick-
winkel der hegemonialen Kultur definiert wird (ebd.). Verschiedenheit gilt
dabei als gut, solange sie den vorherrschenden Normvorstellungen von ihr
entspricht:
“The concept of cultural difference focuses on the problem of the
ambivalence of cultural authority: the attempt to dominate in the name
of a cultural supremacy which is itself produced only in the moment of
differentiation.” (Bhabha 2004: 50).
Mit seinem Konzept der kulturellen Differenz untersucht Bhabha die Grenzen
vorherrschender Fortschrittsmythen und der damit verbundenen Vormacht-
stellung der „westlichen“ Kultur. Es geht ihm um die Anerkennung von
Differenz und der damit einhergehenden Reibungsflächen zwischen multiplen
Identitäten. Diese Reibungsflächen entstehen, so Bhabha, in Situationen
kultureller Differenz, da Menschen permanent völlig unterschiedliche kultu-
relle Praktiken hervorbringen und so ihre eigenen Bedeutungssysteme
konstruieren. Diese lassen sich jedoch nicht nicht anhand universalistischer
Generative Bildarbeit
Zum transformativen Potential fotografischer Praxis
- Title
- Generative Bildarbeit
- Subtitle
- Zum transformativen Potential fotografischer Praxis
- Author
- Vera Brandner
- Publisher
- transcript Verlag
- Date
- 2020
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-8394-5008-6
- Size
- 14.8 x 22.5 cm
- Pages
- 276
- Keywords
- Forschendes Lernen, Fotografische Praxis, Methodik, Generative Bildarbeit, Grenzarbeit, Kulturelle Differenz, Praxeologie, Selbstversuch, Reflexive Grounded Theory, Selbstwahrnehmung, Fremdwahrnehmungen, Situationalität, Reflexivität
- Category
- Medien