Page - 35 - in Generative Bildarbeit - Zum transformativen Potential fotografischer Praxis
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35 Lehrende_r Grundkenntnisse im wissenschaftlichen Arbeiten, ein gewisses
Methodenrepertoire und eine dialogische Forschungshaltung zu vermitteln â
mit den Worten Freires:
âDer Lehrer ist nicht lĂ€nger bloĂ der, der lehrt, sondern einer, der
selbst im Dialog mit den SchĂŒlern belehrt wird, die ihrerseits, wĂ€hrend
sie belehrt werden, auch lehren. So werden sie miteinander fĂŒr einen
ProzeĂ verantwortlich, in dem alle wachsen.â (Freire 1978: 65)
Wird diese Haltung von den Lehrenden nicht vermittelt, kann Forschendes
Lernen auch nicht von den Studierenden erwartet werden (Reiber 2007: 11).
Es geht darum, bestehende Theorien zu begreifen und zu hinterfragen und
darum, sich der eigenen Beteiligung an der kollektiven Wissensproduktion
bewusst zu sein und die âUniversitĂ€t als einen Ort zu verstehen, an dem das
Wissen wieder unsicher werden mussâ (Euler 2005: 267). Forschendes Lernen
soll tiefes Lernen fördern (Huber 2009: 16). Ein angepeiltes Ziel ist, dass Ler-
nende langfristig und nachhaltig Bildung erfahren können, indem sie durch
pÀdagogische Interaktion ermutigt werden, selbststÀndig zu denken und zu
handeln. Damit wird der Bildungsprozess von den Lernenden selbst hervor-
gebracht und gestaltet (Benner 2010: 78â79). Forschendes Lernen soll durch
die Wechselwirkung von Theorie und Praxis dazu fĂŒhren, dass die Studieren-
den auch Handlungskompetenz erlangen (Reiber 2007: 7).
Die Orientierung auf diese Ziele hin betrachte ich in Zusammenhang
mit den Empfehlungen des âWissenschaftlichen Beirates der Bundesregierung
Globale UmweltverĂ€nderungenâ (WBGU) im Bereich transformativer Forschung
und Bildung (WBGU 2011). Transformative Forschung dient dazu, Trans-
formationsprozesse gleichermaĂen zu erforschen und zu befördern. Diese
Forschungsform kann jedoch nur in Verbindung mit transformativer Bildung
gedacht werden, in deren Rahmen das VerstĂ€ndnis fĂŒr das Entwickeln und
Umsetzen von Handlungsoptionen und LösungsansÀtzen generiert werden
soll (ebd.: 374). Die transformative Forschung und Bildung folgt demnach
einem Bildungsideal, das die Vermittlung vielfÀltiger Wissensformen und
theoretischer AnsĂ€tze inkludiert, ânormative sowie handlungspraktische
Aspekte umfasst und andererseits Kompetenzen entwickelt, die die âLernen-
denâ zur Reflexion ihres Handelns und zur Gestaltung ihrer Zukunft befĂ€hi-
gen.â (ebd.: 377). Auf diese Weise sollen die FĂ€higkeiten des Erfassens von, des
Nachdenkens ĂŒber sowie des Weiterarbeitens an wissenschaftlichen Erkennt-
nissen und Erkenntnisprozessen gefördert werden. Man kann hierbei auch â
mit Helga Nowotny â von der Zielsetzung sprechen, von einem Forschungs-
verstÀndnis in Modus 1 zu einem in Modus 2 zu gelangen (Gibbons et al. 1994;
Nowotny 1999). Als Modus 1 beschreibt Nowotny die Suche nach allgemein-
gĂŒltigen, disziplinĂ€r verfassten, homogenen ErklĂ€rungsprinzipien (Nowotny
1999: 67â68), wobei von einer Reinheit der Methode und allgemeingĂŒltiger
Erkenntnis ausgegangen wird. Im Gegensatz dazu strebt ein Forschungsver-
stÀndnis im Modus 2 (Gibbons et al. 1994) eine Form von Wissenschaft an,
die, vergleichbar mit Bourdieus Praxeologie (Bourdieu/Wacquant 2006), den
spezifischen Kontext von Forschung beachtet und anerkennt, dass Wissen-
schaft stets von Menschen betrieben wird und in ihren Ergebnissen somit
Generative Bildarbeit
Zum transformativen Potential fotografischer Praxis
- Title
- Generative Bildarbeit
- Subtitle
- Zum transformativen Potential fotografischer Praxis
- Author
- Vera Brandner
- Publisher
- transcript Verlag
- Date
- 2020
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-8394-5008-6
- Size
- 14.8 x 22.5 cm
- Pages
- 276
- Keywords
- Forschendes Lernen, Fotografische Praxis, Methodik, Generative Bildarbeit, Grenzarbeit, Kulturelle Differenz, Praxeologie, Selbstversuch, Reflexive Grounded Theory, Selbstwahrnehmung, Fremdwahrnehmungen, SituationalitÀt, ReflexivitÀt
- Category
- Medien