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vergleichbaren Beweglichkeit der âGrenzen des Selbstâ findet und daĂ
deren Ort eine Frage des Ermessens oder der Ăbereinkunft ist.â
(Devereux 1998: 58)
Beim Erforschen des transformativen Charakters der Generativen Bildarbeit
als systematisierte Form fotografischer Praxis bildeten die Menschen und ihre
Interaktionen den Forschungsgegenstand. Deshalb ist es notwendig, dass die
Beteiligten so weit wie möglich in ihrer jeweiligen sozialen, kulturellen, histo-
rischen und biografischen Verfasstheit zur Geltung kommen konnten. Im kon-
kreten Forschungsprozess hatte der Kontakt aller Beteiligten zueinander den
Charakter einer sozialen Interaktion. Informationen, Daten und Erkenntnisse
wurden anhand der interaktiven Charakteristik generiert. Im Gegensatz zu
anderen Methodologien wurde dieser Aspekt hier nicht durch Kontrolltechniken
nivelliert. Das WechselverhÀltnis von Subjekt- und Objektpositionen wurde,
im Sinne von George Devereux, als wichtiges Datum und nicht als Störung
betrachtet (ebd.: 309).
Die Tatsache, dass sich alle Beteiligten im Forschungsfeld wechsel-
seitig beobachten und beeinflussen, wurde zum Erkenntnisinteresse. Der
methodologische Rahmen Generativer Bildarbeit fĂŒhrte â mit unterschiedli-
chen methodischen Elementen und Phasen â im Prozess zum Rollenwechsel
auf verschiedenen Ebenen. Subjekt- und Objektrollen mussten immer wieder
hinterfragt und neu ausgehandelt werden. Im Rahmen des Forschenden
Lernens in der multiplen Fallstudie wurde diese dynamische Rollenverteilung
zum Thema gemacht und es wurden dazu entsprechende Vereinbarungen mit
den Studierenden getroffen. Soziale Handlungen und Ereignisse, die sich
daraus ergaben, sei es im Gruppenkontext oder auch bei individuellen TĂ€tig-
keiten, wurden als Sinn- und BedeutungszusammenhÀnge aufgefasst. Es
galt stets, den Sinn verschiedener TĂ€tigkeiten, Interaktionen und Verfahrens-
weisen zu verstehen und fassbar zu machen. Verstehen kann in diesem
Zusammenhang zum einen als âVorgang, der sich auf meine eigenen Bewusst-
seinsleistungen beziehtâ (Soeffner 2012: 165), beschrieben werden. Dies bedeu-
tet, Interaktionen zu einem Bedeutungskontext in Beziehung zu setzen und
dadurch SinnzusammenhĂ€nge zu erschlieĂen. Zum anderen geht es um das
Fremdverstehen im Sinne des Symbolischen Interaktionismus als eine âĂber-
tragung des Verstehens anderer auf mein Bewusstseinâ (ebd.: 165). Verstehen
und Fremdverstehen bedingen sich demnach gegenseitig. Der Subjektcharak-
ter und die reflexiven FĂ€higkeiten aller Beteiligten tragen einen zentralen Teil
zur Entwicklung einer Theorieskizze bei, indem das Wissen, die Erfahrungen,
die ErzÀhlungen, Interaktionen und Reflexionsprozesse der Beteiligten als
heuristische Grundlage fĂŒr das Entwickeln neuer Theorien verwendet werden
können (Breuer 2010: 115â120).
Generative Bildarbeit
Zum transformativen Potential fotografischer Praxis
- Title
- Generative Bildarbeit
- Subtitle
- Zum transformativen Potential fotografischer Praxis
- Author
- Vera Brandner
- Publisher
- transcript Verlag
- Date
- 2020
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-8394-5008-6
- Size
- 14.8 x 22.5 cm
- Pages
- 276
- Keywords
- Forschendes Lernen, Fotografische Praxis, Methodik, Generative Bildarbeit, Grenzarbeit, Kulturelle Differenz, Praxeologie, Selbstversuch, Reflexive Grounded Theory, Selbstwahrnehmung, Fremdwahrnehmungen, SituationalitÀt, ReflexivitÀt
- Category
- Medien