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Generative Bildarbeit - Zum transformativen Potential fotografischer Praxis
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65 Anhand seiner eigenen Erfahrungen, so Roland Barthes weiter, schließe er aus, dass der operator und die Menschen auf den Bildern gleichermaßen Subjekte sein könnten. Ich würde ihn gerne fotografieren und mit ihm über die Mög- lichkeit dynamischer Subjekt- und Objektpositionen im fotografischen Geflecht diskutieren. Bilder fixieren Roland Barthes trifft mit seinen Ausführungen über die „tödlichen“ Akte der Fotograf_innen einen wunden Punkt bei mir. Jenen Punkt, der mich manch- mal lähmt und dann wieder vorantreibt. Ja, die Fotografie kann „töten“, Men- schen zu Objekten machen. Fotos und die Bilder der Anderen — die damit erst entworfen werden — verwendet man seit nunmehr 150 Jahren gerne, um Menschen festzuschreiben und in nur einem Moment zu fixieren. In der kolo- nialen Tradition gibt das Bild der Anderen vor, ein glaubwürdiges Abbild zu sein, das zeige, wie die Anderen, die Fremden „wirklich“ seien. Die vermeint- lichen Eigenarten „unzivilisierter“ Völker bis hin zur Beschaffenheit eines möglicherweise noch „zu kolonisierenden“ Landes wurden mit fotografischen, als Dokumentationen ausgewiesenen Bildern immer wieder visuell nach- vollziehbar gemacht und bestätigt. Bilder der Anderen werden nach wie vor gemacht, präsentiert und auch entsprechend analysiert, um die eigenen Ansichten bzw. Vorurteile zu bestätigen und zu verbreiten. Die postkoloniale Kritik setzt mit Blick auf den Einsatz von Bildern hier an und zeigt auf, dass die Fotografie immer wieder einen erheblichen Teil dazu beitrage, die Eigen- arten fremder Kulturen hegemonialen Vorstellungen gemäß aufzubereiten, zu kolonisieren und als Argumente zu verwenden — sei es, um rassistische Annahmen oder die eigene Identität zu bestätigen. Betrachtet man die Entste- hungsgeschichte der Fotografie, werden parallel verlaufende Entwicklungs- stränge und Interdependenzen mit dem Kolonialismus und der imperialisti- schen Expansion Europas im 19. Jahrhundert nachvollziehbar (Bate 2003: 115). Dieser bedenklich gewaltvolle Zusammenhang bildet sich auch auf sprachli- cher Ebene ab: Fotograf_innen nehmen etwas „ins Visier”, um dann darauf zu „schießen“ (Solomon-Godeau 2003: 71). Fotokritische Texte und Projekte von Theoretiker_innen und Fotograf_innen tragen einen großen Teil dazu bei, dass die Fotografie von ihrer vermeintlichen Unschuld losgelöst betrachtet werden kann (Sontag 1980, 2003; Burgin 1982; Tagg 1993; Silverman 1996; Rosler und de Zegher 1998; Bate 2009 u. v. m.). Sie artikulieren Fragen der Repräsentation, der Identitätskonstruktion, der Evidenzmächtigkeit und der asymmetrischen Machtverhältnisse. Die Auseinandersetzung mit den Werken fotokritischer Denker_innen hilft mir zu benennen, was ich im Umgang mit der Fotografie als beklemmend empfinde: Durch die Fotografie werden Zuschreibungen bezüglich der Anderen gemacht, in Fotos fixiert, Stereotype werden durch das Zeigen und Repräsentieren solcher Fotos bestätigt und immer wieder aufs Neue hervorgebracht. Nicht das Fotografieren an sich wird dabei zum unterdrückenden Moment, sondern die Festschreibungen, die durch die Fotografie ermöglicht werden. Die Umsetzung bzw. Aufführung meiner Choreografie fällt mir mit jedem Mal schwerer. Die Hürde, als Fremde in einem fremden Land eine mir fremde Person oder gleich eine Gruppe von Menschen um ihr Foto zu bitten,
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Generative Bildarbeit Zum transformativen Potential fotografischer Praxis
Title
Generative Bildarbeit
Subtitle
Zum transformativen Potential fotografischer Praxis
Author
Vera Brandner
Publisher
transcript Verlag
Date
2020
Language
German
License
CC BY 4.0
ISBN
978-3-8394-5008-6
Size
14.8 x 22.5 cm
Pages
276
Keywords
Forschendes Lernen, Fotografische Praxis, Methodik, Generative Bildarbeit, Grenzarbeit, Kulturelle Differenz, Praxeologie, Selbstversuch, Reflexive Grounded Theory, Selbstwahrnehmung, Fremdwahrnehmungen, Situationalität, Reflexivität
Category
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