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Generative Bildarbeit - Zum transformativen Potential fotografischer Praxis
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70 Das Wesen der Fotografie Roland Barthes beschreibt schließlich, wie er auf ein Foto seiner Mutter stĂ¶ĂŸt, das fĂŒr ihn die Leerstelle auf der Suche nach ihrem Wesen und nach dem Wesen der Fotografie fĂŒllen kann. Das Foto entstand im Jahr 1898, lange vor Barthes’ Geburt. Seine Mutter ist auf dem Foto fĂŒnf Jahre alt und steht hinter ihrem Bruder in einem Wintergarten (Barthes 1985: 77). „Etwas wie der Hauch vom Wesen der PHOTOGRAPHIE lag in diesem besonderen Photo. So beschloß ich, die ganze PHOTOGRAPHIE (ihre ‚Natur‘) aus dem einzigen Photo ‚hervorzuholen‘, das fĂŒr mich mit Bestimmtheit existierte, und es in gewissem Sinn als Leitfaden fĂŒr meine jĂŒngste Untersuchung zu verwenden.“ (ebd.: 83) Auch dieses Foto hat Barthes nicht in seinem Buch abbilden lassen. Damit unterstreicht er, dass er auf seinem Erkenntnisweg zum Wesen der Fotografie nicht mit beliebigen Fotos arbeiten kann. WĂŒrde er es zeigen, wĂ€re, so Barthes, das Foto seiner Mutter im Wintergarten fĂŒr die Leser_innen lediglich ein Foto unter vielen. Die Bedeutung, die es fĂŒr ihn hat, könne eine andere Person ohnehin nicht erfassen. Doch ĂŒber dieses eine Foto gelangt er schließ- lich an sein Ziel: Das Wesen der Fotografie, das er — mit dem Kinderbild seiner Mutter in HĂ€nden — erkennt, ist fĂŒr ihn im Zwischenraum zwischen Wahrnehmung und VergĂ€nglichkeit zu finden. „,interfuit’: das, was ich sehe, befand sich dort, an dem Ort, der zwi- schen der Unendlichkeit und dem wahrnehmenden Subjekt (operator oder spectator) liegt; es ist dagewesen und gleichwohl auf der Stelle abgesondert worden; es war ganz und gar, unwiderlegbar gegenwĂ€rtig und war doch bereits abgeschieden.“ (ebd.: 87) Solange operator und spectator und spectrum lediglich als einzelne Positionen im fotografischen Geflecht betrachtet werden, lĂ€sst sich das Wesen der Foto- grafie fĂŒr Barthes nicht erkennen. Erst muss die Verbindung dieser einzelnen Positionen in den Fokus gelangen. Es geht dabei um die Verwandlung der Beteiligten, um das Bestehen und Vergehen gleichermaßen: „Hier gibt es eine Verbindung aus zweierlei: aus RealitĂ€t und Vergan- genheit. Und da diese EinschrĂ€nkung nur hier existiert, muß man sie als das Wesen, den Sinngehalt (noema) der PHOTOGRAPHIE ansehen.“ (ebd.: 86) Mit dem Wesen der Fotografie bezeichnet Barthes das Kontinuum, in dem aus der Begegnung zwischen operator und spectrum ein Abbild wird, das als Foto ĂŒber die Begegnung hinaus Bestand hat und schließlich operator und spectator in Bezug zueinander stellt. „Der Name des Noemas der PHOTOGRAPHIE sei also: ,Es-ist-so- gewesen‘ oder auch: das UNVERÄNDERLICHE.“ (ebd.: 87)
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Generative Bildarbeit Zum transformativen Potential fotografischer Praxis
Title
Generative Bildarbeit
Subtitle
Zum transformativen Potential fotografischer Praxis
Author
Vera Brandner
Publisher
transcript Verlag
Date
2020
Language
German
License
CC BY 4.0
ISBN
978-3-8394-5008-6
Size
14.8 x 22.5 cm
Pages
276
Keywords
Forschendes Lernen, Fotografische Praxis, Methodik, Generative Bildarbeit, Grenzarbeit, Kulturelle Differenz, Praxeologie, Selbstversuch, Reflexive Grounded Theory, Selbstwahrnehmung, Fremdwahrnehmungen, SituationalitÀt, ReflexivitÀt
Category
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