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Entwicklungsforschung) sind besonders jene Ansätze von Bedeutung, bei
denen das Produzieren, Präsentieren, Rezipieren und Interpretieren von Fotos
als Geflecht von Handlungs-, Deutungs- und Verständigungsprozessen zur
Anwendung kommen. Durch die verschiedenen Akteurs- und Aktionsebenen
können Handlungsspielräume in Situationen kultureller Differenz eröffnet
werden. Deshalb setze ich bei der Methodenauswahl den Fokus auf jene Metho-
den, die seit den 1970er-Jahren vor allem in ethnomethodologischen und sozial-
wissenschaftlichen Zusammenhängen angewendet und weiterentwickelt
werden. Ihnen ist gemeinsam, dass Interaktion im Prozess eine gewisse Rolle
spielt und dass die generierten Fotos nicht nur in ihrer reinen Abbild- und
Beweisfunktion, sondern darüber hinaus in ihrem Entstehungs-, Verwendungs-
und Verweisungszusammenhang betrachtet werden können. Partizipation
ist bei diesen Methoden auf unterschiedlichen Akteursebenen möglich, die
Deutungshoheit ist nicht nur dem_der Forscher_in vorbehalten. Es kann hier
auch der Gesamtprozess fotografischer Praxis bis zu einem gewissen Grad als
Analysekategorie mitgedacht werden.
Partizipationsmöglichkeiten und Prozesshaftigkeit
Der Partizipationsgrad kann in den verschiedenen Phasen eines Forschungs-
prozesses einmal höher und dann wieder geringer ausfallen (Cornwall/Jewkes
1995: 1668). Der Grad der Partizipation hängt davon ab, wie weit die aktive
Teilhabe und Mitgestaltung der Beteiligten im Forschungsfeld gefördert und
zugelassen wird und welche Rollen und Funktionen sie dabei aktiv einnehmen
können (von Unger 2014: 38). Teilhabe und Mitgestaltung können bereits am
Anfang, bei der Themenwahl gefördert werden. Demnach gewähren Metho-
den, bei denen die Beteiligten an der Themenwahl mitwirken können, mehr
Partizipationsmöglichkeiten als Methoden mit konkreten Themenvorgaben.
Dasselbe gilt für die Zusammensetzung des Bildkorpus. Wird dieser von den
Beteiligten selbst generiert, wachsen die Partizipationsmöglichkeiten. Die Deu-
tungshoheit liegt in klassischen Forschungssituationen bei den Wissenschaft-
ler_innen. Wird der Ablauf jedoch mehrstufig angelegt, können auch die im
Forschungsfeld beteiligten Menschen am Deutungsprozess teilhaben. Metho-
den, bei denen die im Forschungsfeld beteiligten Menschen einbezogen sind,
aber nicht eigenständig mitgestalten können, werden in meiner Gegenüber-
stellung und Systematisierung interaktiver Foto-Methoden als Methoden mit
geringem partizipativem Charakter bewertet (siehe Abb. 29). Je mehr Mög-
lichkeiten die Beteiligten im Forschungsprozess haben, diesen Prozess aktiv
mitzugestalten, desto höher wird der partizipative Charakter einer Methode
bewertet. Um das Spektrum der Partizipationsmöglichkeiten fassbar zu
machen, orientiere ich mich an einem Stufenmodell, das Michael Wright und
Hella von Unger (2010) in Anlehnung an die Partizipationsleiter von Sherry
Arnstein (1969) für Beteiligungsprozesse im Bereich der Gesundheitsförderung
erstellt haben.
Generative Bildarbeit
Zum transformativen Potential fotografischer Praxis
- Title
- Generative Bildarbeit
- Subtitle
- Zum transformativen Potential fotografischer Praxis
- Author
- Vera Brandner
- Publisher
- transcript Verlag
- Date
- 2020
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-8394-5008-6
- Size
- 14.8 x 22.5 cm
- Pages
- 276
- Keywords
- Forschendes Lernen, Fotografische Praxis, Methodik, Generative Bildarbeit, Grenzarbeit, Kulturelle Differenz, Praxeologie, Selbstversuch, Reflexive Grounded Theory, Selbstwahrnehmung, Fremdwahrnehmungen, Situationalität, Reflexivität
- Category
- Medien