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Generative Bildarbeit - Zum transformativen Potential fotografischer Praxis
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194 Heute kam ich wieder in die Situation, ein Foto von jemandem machen zu wollen. Vorsichtig habe ich gefragt und schnell beteuert, dass das Gesicht eh nicht auf dem Foto drauf sein wird. Doch siehe da, ein Lächeln und der Hinweis darauf, dass er als Straßenkünstler, drüben im ersten Bezirk, eh auch ständig foto- grafiert wird. Trotzdem habe ich keine Fotos von seinem Gesicht gemacht, es käme mir irgendwie respektlos vor. (73/I/51) Schließlich bin ich es, die die Kamera in der Hand hält, die Fotos macht und diese dann, in einem mir passenden Rahmen, präsentiert. Ich denke, das ist der Grund, warum ich kaum Menschen fotografiere, weil ich niemanden „benutzen“ möchte. (73/II/58) Außerdem habe ich Angst, ihn benutzt zu haben, ihn für meine Zwecke instrumentalisiert zu haben. (91/II/5) Mir fällt auf, dass es mir überraschend unangenehm ist, in der Öffentlichkeit zu fotografieren – vor allem gegenüber jenen, die auf den Fotos abgebildet werden. Erstmals fällt mir in diesem Ausmaß auf, wie stark es sich bei Fotografie um einen Eingriff in die Privatsphäre handelt. Die abgebildete Person wird gleichsam dupliziert, wobei ich es mir als Fotograf vorbehalten ist, das Duplikat ungefragt für mich zu beanspruchen. [...] Meine Produk- tion von Fotomaterial wird wohl – zumindest für den Moment – zum größten Teil die Abbildung von Menschen aussparen. (85/I/6) Wenn ich jemanden fotografiere und ihm oder ihr das Foto nicht gebe, sondern es mitnehme, habe ich das unweigerliche Gefühl, als hätte ich der Person etwas gestohlen. Kann ich es einfach mitnehmen, gehört es mir? Manchmal kommt es mir vor, als würde ich einen Teil der Person einfangen. Ein Foto kann etwas sehr Intimes sein ...(73/I/51) Ich habe mich in dieser Situation sehr unwohl gefühlt, weil ich nicht wirklich das Gefühl hatte, dass dieser Mensch sein Interesse richtig artikulieren konnte, weil er ein bisschen teilnahmslos gewirkt hat. Ich wusste nicht, ob ich Grenzen überschritten habe, die er nicht richtig ziehen konnte, weil er vielleicht nicht ganz bei Sinnen war? Gleichzeitig möchte ich ihm aber auch nicht die Fähigkeit absprechen, für sich selbst sprechen zu können. Außerdem habe ich Angst, ihn benutzt zu haben, ihn für meine Zwecke instrumentalisiert zu haben. (91/4–5) Außerdem wollte ich ihn* nicht für mein auch als fotografische Dekonstruktion gedachtes Foto ausnützen und für meine Uni- arbeit instrumentalisieren. (074/III/15) Aber egal, ob ich jetzt Personen bezüglich eines Fotos befrage oder sie aus weiter Distanz sozusagen heimlich fotografiere, bei beidem schwingt für mich im Unterbewusstsein immer irgendwie der Begriff „Menschenzoo“ mit. Also, ich fotografiere Menschen ab, so wie irgendwelche Tiere im Zoo. (78/II/13) Abbildung 63: Auszüge aus den Forschungstagebüchern: Würdigen/benutzen
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Generative Bildarbeit Zum transformativen Potential fotografischer Praxis
Title
Generative Bildarbeit
Subtitle
Zum transformativen Potential fotografischer Praxis
Author
Vera Brandner
Publisher
transcript Verlag
Date
2020
Language
German
License
CC BY 4.0
ISBN
978-3-8394-5008-6
Size
14.8 x 22.5 cm
Pages
276
Keywords
Forschendes Lernen, Fotografische Praxis, Methodik, Generative Bildarbeit, Grenzarbeit, Kulturelle Differenz, Praxeologie, Selbstversuch, Reflexive Grounded Theory, Selbstwahrnehmung, Fremdwahrnehmungen, Situationalität, Reflexivität
Category
Medien
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