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195 Es waren gute Motive dabei, aber ich kann mich einfach nicht
dazu überwinden, nach Erlaubnis zu fragen – zumal das Foto
dann gestellt wäre ... (76/I/183) Bilder von Menschen sind
häufig gestellt und entsprechen
so nicht der Realität. (79/I/5)
Vor allem wollte ich, wenn schon, einen ehrlichen Moment ein-
fangen. Dies wĂĽrde aber den Ăśberraschungseffekt beanspruchen,
was wiederum voraussetzt, dass abgelichtete Menschen eben
genau von dieser Fotoaufnahme wissen. (64/I/4)
Wie möchte ich vor allem in Bezug auf die Probleme, andere Men-
schen (heimlich) zu fotografieren … die Problematik eines authen-
tischen vs. gestellten Fotos und meiner Rolle als Beobachterin mit
den damit verbundenen blinden Flecken umgehen? (88/III/5–6)
Mir war es schwergefallen, Fotos von unbekannten Menschen
zu schieĂźen [...], weshalb ich [...] interessiert daran war, wie es
den anderen dabei ergangen war. Sie berichteten ebenfalls
von Hemmungen und Unwohlsein beim Fotografieren. Ihren
Ansuchen sei zwar in der Regel stattgegeben worden, sie haben
es aber, um kĂĽnstliche Gestelltheit der Fotos zu verhindern,
vorgezogen, unauffällig zu fotografieren. (85/II/2)
Ich fĂĽhle mich schlecht, wenn ich Fotos von Menschen
mache, ohne dass ich ihre Erlaubnis habe. Wenn ich
aber vorher um Erlaubnis frage, dann wird das Foto ver-
fälscht, weil es dann eigentlich nur mehr gestellt sein
kann … Und im Nachhinein zu fragen ist mir irgendwie
unangenehm. (76/I/37)
Ich finde es oft nicht einfach,
fremde Menschen in Spontan-
situationen zu fotografieren.
(Ich könnte natürlich fragen,
dann könnte sich eventuell ein
„gestelltes“ Motiv [...], aber ich
habe im Alltag oft Situationen
beobachtet, die ich gerne
genau so fotografiert hätte, was
aber eben leider oftmals nicht
möglich war.) (88/I/120)
Der Auslöser bei der Kamera muss genau zum richtigen Moment
gedrĂĽckt werden, sonst ist der Moment des Emotionsausdrucks
womöglich schon vorbei. Emotionen stellen häufig etwas sehr
Persönliches dar, sodass es überhaupt nicht einfach ist, wild-
fremde Menschen zu fragen, ob es fĂĽr sie etwa in Ordnung geht,
beim Knutschen fotografiert zu werden. Die Antwort auf meine
Frage fiel ĂĽbrigens negativ aus. (78/III/3)
Abb. 64 AuszĂĽge aus den ForschungstagebĂĽchern: Authentisches/gestelltes Bild
Generative Bildarbeit
Zum transformativen Potential fotografischer Praxis
- Title
- Generative Bildarbeit
- Subtitle
- Zum transformativen Potential fotografischer Praxis
- Author
- Vera Brandner
- Publisher
- transcript Verlag
- Date
- 2020
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-8394-5008-6
- Size
- 14.8 x 22.5 cm
- Pages
- 276
- Keywords
- Forschendes Lernen, Fotografische Praxis, Methodik, Generative Bildarbeit, Grenzarbeit, Kulturelle Differenz, Praxeologie, Selbstversuch, Reflexive Grounded Theory, Selbstwahrnehmung, Fremdwahrnehmungen, Situationalität, Reflexivität
- Category
- Medien