Page - 206 - in Generative Bildarbeit - Zum transformativen Potential fotografischer Praxis
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Wie schon erwÀhnt, möchte ich,
als weiteren Schritt, zwar beim
Thema âBeobachtenâ bleiben,
jedoch die Perspektive Àndern.
Im Gegensatz zur vorigen Arbeit
möchte ich nun die Kamera auf
mich selbst richten. (63/I/178) Es tauchte auch die Frage auf, wer ĂŒberhaupt die Subjekte seien:
also, wie das mit einem Selbstportrait zum Beispiel wÀre oder ob
es eine Möglichkeit sein könnte, die Menschen sich selbst foto-
grafieren zu lassen. (88/II/12)
Nachdem ich mich mit âande-
renâ Menschen [...] beschĂ€ftigt
habe, möchte ich im letzten
Bilddialog auch noch aktiver
(ĂŒber) mich selbst fotografie-
ren. In jedem meiner Fotos
steckt ein StĂŒck von mir, aber
meine Rolle als Fotografin* und
Betrachterin* der fotografierten
Situation blieb bis jetzt weitest-
gehend quasi als âblinder Fleckâ
ausgeblendet. (74/III/8) Der Kollege thematisierte dies,
indem er der Fotoserie auch
ein SelbstportrĂ€t hinzufĂŒgte
und sich somit selbst auch zum
Ausstellungsobjekt machte.
(92/III/2)
Einerseits ein von mir âheimlichâ gemachtes Foto anderer Menschen, das dies aber auch offen
zugibt, da es meine Hand zeigt, in der ich einen Spiegel halte, in dessen Spiegelbild wiederum
jemand anderer zu sehen ist. Das zweite dieser Fotos wurde mit Erlaubnis gemacht und steht eng
in Verbindung mit einem Foto, das ich fĂŒr den ersten Bilddialog noch âheimlichâ gemacht habe.
Es zeigt die Harfespielerin* im Spiegelbild des Spiegels in meiner Hand. Dieses Foto steht somit
auch stellvertretend fĂŒr die Entwicklung meiner fotografischen Praxis. Das dritte Bild dieser Reihe
habe ich auch aus gegebenem Anlass, nĂ€mlich der fĂŒr mich menschenrechtlich bedenklichen
RĂ€umung des FlĂŒchtlingscamps, gewĂ€hlt. Dieses Foto habe ich mit ausgestreckter Hand und somit
teilweise als eine Art SelbstportrĂ€t von mir und einem FlĂŒchtling gemacht. (74/III/15)
Ich habe weiter ĂŒberlegt, wie ich mich selbst bzw. meine SubjektivitĂ€t und meinen
subjektiven Blick und die Beeinflussungen, die dadurch entstehen, in den Fotos
visualisieren kann. Zuerst bin ich noch auf die Idee gekommen, wenn ich einen
Menschen fotografiere, mich danach auf der Stelle umzudrehen und den Hinter-
grund hinter mir zu fotografieren. Danach habe ich mich aber dann dazu entschie-
den, weil ja die Fotos, die ich mache, mehr ein Spiegel von mir selbst als von den
âObjektenâ sind, den Menschen, die ich fotografiere, einen Spiegel in die Hand zu
geben und ansonsten [...] alles möglichst unbeeinflusst lasse von mir selbst. (76/
II/40)
AuĂerdem werde ich ein Foto vom zweiten PrĂ€sentationstermin verwenden, es ist eines von denen,
die ich von mir mit dem kleinen Spiegel vor dem groĂen Spiegel gemacht habe [...]. Ich finde es
passend, weil es einerseits natĂŒrlich meine eigene Person darstellt, in der alle diese Annahmen,
Ansichten, Meinungen, Ideen etc. existent sind. Andererseits wirkt der kleine Spiegel darauf wie
eine BeschrĂ€nkung â passenderweise sogar eine BeschrĂ€nkung bzw. EinschrĂ€nkung meines Sicht-
feldes [...]. (76/III/87)
Abb. 72 AuszĂŒge aus den ForschungstagebĂŒchern: Motivwahl, Spiegelbild und SelbstportrĂ€t
Generative Bildarbeit
Zum transformativen Potential fotografischer Praxis
- Title
- Generative Bildarbeit
- Subtitle
- Zum transformativen Potential fotografischer Praxis
- Author
- Vera Brandner
- Publisher
- transcript Verlag
- Date
- 2020
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-8394-5008-6
- Size
- 14.8 x 22.5 cm
- Pages
- 276
- Keywords
- Forschendes Lernen, Fotografische Praxis, Methodik, Generative Bildarbeit, Grenzarbeit, Kulturelle Differenz, Praxeologie, Selbstversuch, Reflexive Grounded Theory, Selbstwahrnehmung, Fremdwahrnehmungen, SituationalitÀt, ReflexivitÀt
- Category
- Medien