Page - 212 - in Generative Bildarbeit - Zum transformativen Potential fotografischer Praxis
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Als Präsentationsform habe ich einen einfachen Karton gewählt. Anfangs ist er verschlossen wie
die undurchsichtige Fassade eines Hauses. Hinter jedem Fenster, jeder Türe verbergen sich unter-
schiedliche Welten und Lebensrealitäten. Wenn man den Karton öffnet, kommen fünf verschiedene
Fotos zum Vorschein. Wie durch (m)ein Fenster sieht man mein Alltagsumfeld aus verschiedenen
Perspektiven. Durch eine Schnur ist der Karton fixiert, lockert man diese, öffnet sich der Karton
vollständig und somit ändert sich auch die Perspektive auf die Bilder. (63/I/105–107)
Heute habe ich nun die Idee gehabt, mich selbst von verschiede-
nen Seiten zu fotografieren und selbst zu präsentieren – im
wahrsten Sinne des Wortes, denn ich glaube, ich werde die
Fotos irgendwie auf einen Pullover kleben, damit sie auch ganz
offensichtlich nicht von mir zu trennen sind. (74/8)
In einem Regenschirm gespann-
te Schnüre, an denen die Fotos
hängen. Der Regenschirm soll
zur Hälfte zerfetzt sein, was die
zwei Ströme der Gefühlsrich-
tungen, in die meine Assoziatio-
nen zu meinem Foto gegangen
sind und die sich dadurch in
den von mir geschossenen
Fotos widerspiegeln, ausdrü-
cken soll. (76/I/101) Die Fotos auf einen großen
Spiegel geklebt und dazwi-
schen Spiegelungen von mir
fotografiert, dasselbe auf der
kleinen Spiegelfliese, dann
ziemlich viel mit Spiegelungen
von der kleinen Fliese am gro-
ßen Spiegel und umgekehrt,
fast immer mit, manchmal
ohne die Fotos. (76/II/51)
Die Bildkomposition bestand aus einem Mobile mit zwei Seiten.
Auf der einen befanden sich Bilder mit und auf der anderen ohne
Menschen. Da die Fotos mit Schnüren an Zweigen befestigt
waren, standen sie nie still und es entstand eine gewisse Dyna-
mik, die den Bildern Leben einhauchte. Es entstanden Bilder, die
vorbeiziehen, wie unser ganzes Umfeld, unser ganzer Alltag nie
steht und an uns vorbeizieht. (63/I/130)
Selbstbeobachtung bzw. das „Beobachtet-Werden“: Videokame-
ras, Aufnahmen versch. Videosequenzen der Überwachungska-
meras!!! Präs. am Laptop/Beamer + Foto vom Bildschirm, wo alle
drauf sind. Ev. meine Bilder in gleichem Aufbau reinretuschieren.
Auf kleinem rauschendem Bildschirm präsentieren → Laptop mit
angebrachter Webcam, jeder sich selbst! (63/I/142–148)
Ich möchte meine Präsentation der Fotos so gestalten, dass ich einen Spiegel mit Türen versehe,
auf die Türen möchte ich gerne die Bilder kleben, die Türen in ihrer Vieldeutigkeit abbilden und
hinter die Türen, auf den Spiegel, Bilder von Menschen. Beim Betrachten der Fotos mit Menschen
sieht der_die Betrachter_in sich dann selbst zusätzlich im Spiegel. Damit möchte ich darstellen,
dass hinter Türen und Wänden sowie Mauern einerseits das Fremde verborgen ist und das Unbe-
kannte, wovor wir manchmal Angst haben und uns schützen wollen, andererseits aber auch
ganz viel Neues und Interessantes, was uns auch uns selbst anders sehen lässt. Durch das Andere
erkenne ich also auch mich anders im Spiegel. (86/II/21)
Abb. 78 Auszüge aus den Forschungstagebüchern: Form und Inhalt
Generative Bildarbeit
Zum transformativen Potential fotografischer Praxis
- Title
- Generative Bildarbeit
- Subtitle
- Zum transformativen Potential fotografischer Praxis
- Author
- Vera Brandner
- Publisher
- transcript Verlag
- Date
- 2020
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-8394-5008-6
- Size
- 14.8 x 22.5 cm
- Pages
- 276
- Keywords
- Forschendes Lernen, Fotografische Praxis, Methodik, Generative Bildarbeit, Grenzarbeit, Kulturelle Differenz, Praxeologie, Selbstversuch, Reflexive Grounded Theory, Selbstwahrnehmung, Fremdwahrnehmungen, Situationalität, Reflexivität
- Category
- Medien