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245 sich (Abel/Deppner 2013: 12). Das Verhältnis zwischen Fototheorie und
Fotopraxis rückt dabei in den Fokus, die Wechselwirkung von Wissenschaft
und Kunst kann neu gedacht werden. Mitchell überträgt die konstruktive
Undiszipliniertheit in den Wissenschaften allgemein auf das Feld des Visuellen,
da es ihm im Kern seines Erkenntnisinteresses um die Brüche geht, die sich
darin erfahren lassen.
„Mein wirkliches Interesse galt […] Formen der ,Undiszipliniertheit‘,
den Turbulenzen und Inkohärenzen an den inneren und äußeren
Grenzen der Disziplinen […] ein Moment der Erschütterung und
des Bruchs, in dem die Kontinuität und die Praxis in Frage gestellt
wird […] [ein] Moment des Chaos und des Staunens, in dem sich
eine Disziplin […] zwanghaft in ihrer Unangemessenheit offenbart.“
(2008: 256 f.)
Durch eine positive Lesart des Begriffs der Undisziplin bzw. der UndiszipliniertÂ
heit wird das Medium der Fotografie als mehrdimensionales, vielfältiges
Feld erkennbar. Niemand kann für sich einen exklusiven Anspruch auf dieses
Feld erheben, es ist offen für alle.
„Der Mehrwert besteht in der Überwindung monodisziplinärer Sicht-
weisen und Deutungshoheiten zugunsten einer sich aus dem Medium
Fotografie, seiner Theorie, seiner Praxis und seiner Bildwelten ergeben-
den Gesamtbetrachtung, um neue Bilderkenntnisse zu erlangen.“
(Abel/Deppner 2013: 11)
Das fotografische Spannungsfeld kann als geeignete Konstellation betrachtet
werden, durch die und in der eine Verknüpfung von Theorie und Praxis in Form
„einer Kombination aus wissenschaftlicher und künstlerisch-gestalterischer
Methodik“ (Fütterer 2010: 6) erlebbar wird. Der theoretische Diskurs26 erstreckt
sich von der Thematisierung verschiedener Fotopraktiken als Agency bzw.
von Fotografien als Bildakte (Bredekamp 2011) weiter zu Phänomenen foto-
grafischer Netzwerkbildung und Viskursen (Knorr-Ketina 1999) und der Ana-
lyse performativer Qualitäten, die der Fotografie inhärent sind. In Anlehnung
an Bruno Latour (2007) können Fotografien als hybride Wesen zwischen
Bild und Gestalt betrachtet werden, sodass die Eigenlogik von Bildern in den
Vordergrund tritt. Diese Argumentationslinie führt so weit, dass Bildern
Akteur_innenstatus zugeschrieben wird, was wiederum mit den Phänomenen
der Bildermacht und der Bilderangst in Zusammenhang gebracht werden kann
(Abel/Deppner 2013: 13ff.). Im fotografischen Spannungsfeld müssen Foto-
grafien jedoch nicht grundsätzlich gefürchtet werden. Es können ihre Sinn
erzeugenden Eigenschaften Beachtung finden und analysiert werden (Boehm
26 Im Sammelband „Undisziplinierte Bilder — Fotografie als dialogische Struktur“ (2013)
bringen Thomas Abel und Martin Deppner einen Überblick über die verschiedenen Theoriestränge,
die zu dieser Neubewertung der Undisziplin im Bereich des Visuellen beitragen.
Generative Bildarbeit
Zum transformativen Potential fotografischer Praxis
- Title
- Generative Bildarbeit
- Subtitle
- Zum transformativen Potential fotografischer Praxis
- Author
- Vera Brandner
- Publisher
- transcript Verlag
- Date
- 2020
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-8394-5008-6
- Size
- 14.8 x 22.5 cm
- Pages
- 276
- Keywords
- Forschendes Lernen, Fotografische Praxis, Methodik, Generative Bildarbeit, Grenzarbeit, Kulturelle Differenz, Praxeologie, Selbstversuch, Reflexive Grounded Theory, Selbstwahrnehmung, Fremdwahrnehmungen, Situationalität, Reflexivität
- Category
- Medien