Page - 251 - in Generative Bildarbeit - Zum transformativen Potential fotografischer Praxis
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251 Verbindung zu Basarab Nicolescu herstellen, fĂŒr den sich TransdisziplinaritĂ€t
durch die VerschrÀnkung von Subjekt- und Objektpositionen kennzeichnet
(2002, 2008). Erst wenn das Denken in GegensĂ€tzen ĂŒberwunden ist, können,
so Nicolescu, Erkenntnisprozesse auf mehreren Ebenen parallel stattfinden â
Erfahrungen, Erkenntnisse und Wissen im Dazwischen und im Abseits wĂŒrden
ebenso Bedeutung erlangen wie an einzelnen Extrempolen. Als Zielorientie-
rung sollten sich transdisziplinÀre Forscher_innen auf integrative Weise der
Einheit des Wissens widmen.
âAs the prefix âtransâ indicates, transdisciplinarity concerns that which
is at once between the disciplines, across the different disciplines,
and beyond all disciplines. Its goal is the understanding of the present
world, of which one of the imperatives is the unity of knowledge.â
(2008: 2)
Nicolescus Theorie der TransdisziplinaritÀt kann im Rahmen Generativer
Bildarbeit auf eine praktische Ebene gelangen. Durch das rekursive Vorgehen
bleibt die Forschungs- und Deutungshoheit nicht allein den Wissenschaft
ler_in
-
nen vorbehalten. Indem der Deutungsprozess von vorhandenem Foto- und
Textmaterial kollektiv angelegt werden kann, wird Generative Bildarbeit
einem zentralen Anspruch von transdisziplinÀrer Forschung gerecht, nÀmlich
dem eines gleichberechtigten Forschungsprozesses, in dem sich alle Beteilig-
ten â die Menschen im Feld, die EntscheidungstrĂ€ger_innen und die Wissen-
schaftler_innen verschiedener Disziplinen â als Forschende einbringen
und auf integrative Weise einen gemeinsamen Themen- und Wissenskorpus
erschlieĂen (Klein 2008; Pohl et al. 2008; Lang/Vilsmaier 2014). Im Gegensatz
zu einem unilinearen WissenschaftsverstÀndnis werden Blickakte und damit
auch Perspektivenvielfalt und Perspektivenwechsel auf allen Ebenen ermög-
licht und nicht als Hindernisse, sondern als Potential im Forschungsprozess
betrachtet. Es geht dabei um ein Menschenbild, das âweder das Subjekt gegen
(und) ĂŒber Welt konzipiert, noch dieses in die Stellung eines autonomen
Konstrukteurs von Welt erhebt.â (Vilsmaier 2010: 13). Dabei werden die Grenzen
zwischen Subjekt- und Objektsein fĂŒr alle als flieĂende ĂbergĂ€nge erfahrbar.
Lernen und Forschen durch ethische Ambivalenzen
Im Prozess Generativer Bildarbeit können alle Beteiligten die ethischen
Rahmenbedingungen fĂŒr gemeinsames Handeln wie auch die Bewertung
dieses Handelns entsprechend der jeweiligen SituationalitÀt mitgestalten.
Ethische Fragen nach informierter Zustimmung, AnonymitÀt/Sicherheit und
Copyright/Creative Commons von fotografischen Werken mĂŒssen in einem
dialogischen Aushandlungsprozess gemeinsam geklÀrt werden. Eine
bewusste Auseinandersetzung mit den verschiedenen, teils widersprĂŒchlichen
Wirkungsebenen ethischer Fragen fördert jedenfalls die vertrauensvolle
Zusammenarbeit zwischen den Forscher_innen und den Teilnehmer_innen.
Ethische Ambivalenzen geben Anlass, sich mit den Machtstrukturen aus-
einanderzu setzen, innerhalb derer ein Projekt steht. Dadurch können auf
partizipative Weise verschiedene Handlungsformen ausgelotet werden.
Wesentlich ist hierbei der reflektierte Umgang mit den Möglichkeiten und
Generative Bildarbeit
Zum transformativen Potential fotografischer Praxis
- Title
- Generative Bildarbeit
- Subtitle
- Zum transformativen Potential fotografischer Praxis
- Author
- Vera Brandner
- Publisher
- transcript Verlag
- Date
- 2020
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-8394-5008-6
- Size
- 14.8 x 22.5 cm
- Pages
- 276
- Keywords
- Forschendes Lernen, Fotografische Praxis, Methodik, Generative Bildarbeit, Grenzarbeit, Kulturelle Differenz, Praxeologie, Selbstversuch, Reflexive Grounded Theory, Selbstwahrnehmung, Fremdwahrnehmungen, SituationalitÀt, ReflexivitÀt
- Category
- Medien