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neugermanistischeLehrstuhldurchdenTodJakobMinorsneuzubesetzen
war.
I.2.DerBruch –DieVerhandlungenumdieNachfolge
für denneugermanistischenLehrstuhl nach demTod Jakob
Minors 1912
WenigeMonatenachderaltgermanistischenwurde1912inWienauchdie
neugermanistischeLehrkanzel vakant. IhrVertreter JakobMinor starbam
7.Oktober 1912 imAlter von 57 Jahren nochwährend seiner Amtszeit.
Bereits imJulidesselbenJahreshatteMinoreinausführliches,mehrteiliges
Testament verfasst, in dem er präzise Regelungen bezüglich seines wis-
senschaftlichenNachlassesunddesUmgangsmitseinemOeuvregetroffen
hatte.52HinweiseaufeinenvonihmgewünschtenNachfolgeralsProfessor
fürDeutscheSpracheundLiteraturfindensichdarinjedochnicht.Undauch
abseitsdieser letztenVerfügungenhattesichMinor–andersalsdiemeisten
seinerKollegenundVorgänger–zuLebzeitennichtumdieeigeneErbfolge
an derUniversität gekümmert. Einer seiner ehemaligen Schüler, Eduard
Castle, meinte 1955 rückblickend, dass Minor, „so wenig er sonst
Scharfblick fürdie realenVerhältnisse aufbrachte“, diesesAnsinnen schon
immer füraussichtslosgehaltenhabeundihnen,„seinenAdepten“,bereits
zu seinem 50. Geburtstag, als er erstmals „erwog […], seinen Platz zu
räumen“, vorausgesagthabe, „daßkeinemseineNachfolgerschaft zufallen
werde“.53
Das Problem derWiener Neugermanistik, dass es zu wenige Fach-
vertreter gab, umeinenÖsterreicher berufen zu können, das sich bei der
NachfolgeTomascheks1878nochgestellthatte,existierteabernichtmehr.
Ganz imGegenteil: Die Anzahl der germanistischen Promovenden, die
eine Universitätslaufbahn eingeschlagen und sich auf Neuere deutsche
Literatur spezialisiert hatten,war sohochwienie zuvor.DieGermanistik,
vorallemdieneuereAbteilung,gehörtezujenenFächern,dieamEndedes
19. und zu Beginn des 20. Jahrhunderts den stärksten Zuwachs an Stu-
dierenden zu verzeichnen hatten.54Minor selbst hatte seit seinemAmts-
52 DasTestament ist abgedruckt bei Faerber: Ich bin einChinese (2004), S. 558–
563.
53 Castle: Zu JakobMinors 100.Geburtstag (1955), S. 77.
54 Zur Bildungsexpansion umdie Jahrhundertwende und zum starkenAnstieg der
HörerzahlenandenphilosophischenFakultätenvgl.detailliertCohen:Education
andMiddle-Class Society in ImperialAustria 1848–1918 (1996).
I.2. Der Bruch 21
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Germanistik in Wien
Das Seminar für Deutsche Philologie und seine Privatdozentinnen (1897–1933)
- Title
- Germanistik in Wien
- Subtitle
- Das Seminar für Deutsche Philologie und seine Privatdozentinnen (1897–1933)
- Author
- Elisabeth Grabenweger
- Publisher
- De Gruyter Open Ltd
- Location
- Berlin
- Date
- 2016
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-11-045927-2
- Size
- 15.5 x 23.0 cm
- Pages
- 290
- Keywords
- German literary studies, literary text, history, first female scholars, Wiener Germanistik, Wissenschaftsgeschichte
- Category
- Lehrbücher