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dieser Berufsgruppe ebenso betraf wie ihre Lehrverpflichtung. Bis zum
Ende des 19. Jahrhunderts war die Privatdozentur nur eine Übergangs-
phase, auf die nach einigen Jahren unweigerlich und zumeist über den
UmwegeinesExtraordinariats einebesoldete ordentlicheProfessur folgte.
KarlTomaschek,der ersteHabilitandderWienerGermanistik, erhieltdie
VeniaLegendi1855undwurde1862Professor inGraz;WilhelmScherer
habilitierte sich 1864 und erhielt 1868 das Wiener Ordinariat; Josef
Seemüllers Habilitation von 1879 folgte 1890 die Berufung nach Inns-
bruck; August Sauer habilitierte sich ebenfalls 1879, wurde 1886 Extra-
ordinarius und 1892Ordinarius in Prag; JakobMinor erhielt 1880 die
VeniaLegendiundwurdenachaußerordentlichenProfessureninPragund
Wien 1888 Ordinarius in Wien. Die beiden nächsten Privatdozenten
warendie ersten Juden, die sich anderWienerGermanistikhabilitierten.
Bei ihnen funktionierte der dargestellte Karriereverlauf zunächst zwar,
aufgrunddesbereits gegenEndedes19. Jahrhunderts umsichgreifenden
universitären Antisemitismus jedoch nicht vollständig:300Alexander von
Weilen habilitierte sich 1887, erhielt 1899denTitel eines außerordentli-
chenProfessors,wurde1904zumbesoldetenaußerordentlichenProfessor
ad personam ernannt und 1909mit dem Titel eines ordentlichen Pro-
fessors ausgestattet.Der 1914 vonder philosophischen Fakultät inWien
gestellte Antrag auf Ernennung von Alexander vonWeilen zum ordent-
lichen Professor wurde jedoch nie entschieden. Max Hermann Jellinek
habilitierte sich 1892, wurde 1900 zum außerordentlichen Professor ad
personam ernannt und erhielt 1906 denTitel eines ordentlichen Profes-
sors. SowohlWeilen als auch Jellinek hatten die gewohnte Privatdozen-
tenlaufbahn des 19. Jahrhunderts durchschritten – bis zu demPunkt, an
denen ihnen ein fixes Ordinariat zugesprochen werden sollte: Beide er-
hielten imUnterschied zu ihrennicht-jüdischenGenerationskollegennur
denTitel, nicht denLehrstuhl eines ordentlichenProfessors.301
Die letztenWienerHabilitanden, bei denen der gewohnte Karriere-
verlauf noch funktionierte, waren Rudolf Much (Habilitation 1893, or-
dentliche Professur ad personam1906 inWien), Carl vonKraus (Habi-
litation 1894, ordentliche Professur 1904 in Prag), Oskar Walzel
(Habilitation 1894, ordentliche Professur 1897 in Bern) und Konrad
300 Zu Judentum und Antisemitismus in der österreichischen Germanistik im
19. Jahrhundert vgl.Michler: Lessings „EvangeliumderToleranz“ (2003).
301 Zu den antisemitischen Ausschlussmechanismen und deren personalpolitischen
KonsequenzenanderWienerUniversitätnach1918vgl.Taschwer:Hochburgdes
Antisemitismus (2015); Ehs:Das extramurale Exil (2011).
I.4. Paul Kluckhohn, Josef Nadler und das Ende der Privatdozenten 83
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Germanistik in Wien
Das Seminar für Deutsche Philologie und seine Privatdozentinnen (1897–1933)
- Title
- Germanistik in Wien
- Subtitle
- Das Seminar für Deutsche Philologie und seine Privatdozentinnen (1897–1933)
- Author
- Elisabeth Grabenweger
- Publisher
- De Gruyter Open Ltd
- Location
- Berlin
- Date
- 2016
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-11-045927-2
- Size
- 15.5 x 23.0 cm
- Pages
- 290
- Keywords
- German literary studies, literary text, history, first female scholars, Wiener Germanistik, Wissenschaftsgeschichte
- Category
- Lehrbücher