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II. Frauen alsAutorinnenundWissenschaftlerinnen
unddieNeuere deutsche Literaturwissenschaft –
ChristineTouaillon (1878–1928)
Christine Touaillon gehörte imWintersemester 1897/98 zu den ersten
StudentinnenderUniversitätWienundwar1921dieersteösterreichische
Germanistin, die als Privatdozentin zugelassen wurde.1 Ihre Bildungs-
laufbahn lässt jene Brüche erkennen, die angesichts des sichwandelnden
Mädchenschulwesens im letztenDrittel des 19. Jahrhunderts für Frauen
aus bildungsbürgerlichen Familien2 nicht untypisch waren: Touaillon
besuchte in ihrer Jugendnichtweniger als fünf verschiedeneSchulen,3bis
sieschließlichimSommer1897diezudiesemZeitpunkthöchstemögliche
Ausbildung, die k.k. Lehrerinnenbildungsanstalt des Zivilmädchenpen-
sionats inWien,absolvierteundalsVolksschullehrerinzuarbeitenbegann.4
Im Herbst desselben Jahres wurden Frauen aber auch an der Wiener
UniversitätzumStudiumzugelassenundTouaillonschriebsichsogleichals
eine von insgesamt 37 Studentinnen ein, um,wie sie 1919 rückblickend
feststellte, „Litteraturgeschichte zu studieren,was ich seit früherKindheit
1 Das folgende Kapitel beruht zum Teil auf einem bereits publizierten Aufsatz;
Grabenweger: „EindurchunddurchweiblichesBuch“ (2010).
2 TouaillonsVater LeopoldAuspitz gehörte alsGeneralmajor zu den ranghöheren
Offizieren der k.k. Armee undwar ein Vertreter des liberalen Lagers, das der –
durch Königgrätz augenscheinlich gewordenen – Krise des Militärs mit dem
Ideengut des aufklärerischen Josephinismus und den Bildungsidealen des auf-
strebendenBürgertums zu begegnen versuchte. –ZuTouaillons Familie vgl. das
Typoskript ihresBrudersWaltherHeydendorff:KurzgefaßteFamiliengeschichte;
ÖStA, Kriegsarchiv, NachlassHeydendorff, B/844/11. Zur politischen Ausrich-
tung der k.k. Armee vgl. Allmayer-Beck: Die bewaffnete Macht in Staat und
Gesellschaft (1987).
3 Volksschule in St. Pölten, Volksschule in Salzburg, Bürgerschule in St. Pölten,
Bürgerschule inWien,Höhere Töchterschule inWien, Lehrerinnenbildungsan-
stalt inWien.–DieOrtswechsel lassensichmitdemBerufdesVaterserklären,der
häufigeSchulwechsel innerhalbWienswarderUmgestaltungdesBildungswesens
geschuldet,daTouaillonimmerdanndieSchulewechselte,wennsichbessere,d.h.
höhereBildungsmöglichkeiten fürMädchen eröffneten.
4 AnderVolksschuleNotreDamedeSion inWien.
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Germanistik in Wien
Das Seminar für Deutsche Philologie und seine Privatdozentinnen (1897–1933)
- Title
- Germanistik in Wien
- Subtitle
- Das Seminar für Deutsche Philologie und seine Privatdozentinnen (1897–1933)
- Author
- Elisabeth Grabenweger
- Publisher
- De Gruyter Open Ltd
- Location
- Berlin
- Date
- 2016
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-11-045927-2
- Size
- 15.5 x 23.0 cm
- Pages
- 290
- Keywords
- German literary studies, literary text, history, first female scholars, Wiener Germanistik, Wissenschaftsgeschichte
- Category
- Lehrbücher