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104 Der Kontext der Gegenreformation in Paris 1617 und in Wien 1655
Diese Laienbruderschaften dienen als gesellschaftlich institutionalisierte Instru-
mente zur größeren Verbreitung und Intensivierung der römisch-katholischen Fröm-
migkeitspraktiken, zur Verbesserung der moralischen Sitten der oft protestantischen
Stadtbewohner sowie der vielfach ungebildeten Landbevölkerung, und sie tragen dazu
bei, durch private und öffentliche Gebete und religiöse Übungen einen strukturierten
Tages-, Wochen-, Monats- und Jahresablauf zu schaffen.
Da viele der mittelalterlichen Bruderschaften durch die Reformation verschwunden
sind, entstehen im Laufe der Gegenreformation unter Einwirkung der italienischen
Orden zahlreiche neue Vereinigungen, die teilweise sogar als Filialen italienischer
Erzbruderschaften einzustufen sind. Es steht daher in den Berichten immer wieder
von sogenannter »Bruderschaftszier nach welscher Manier« zu lesen, was sich auf die
Votivbilder, die zu tragende Bekleidung sowie die spezifischen Fahnen, Stangen, La-
ternen u. Ä. bezieht, mit denen sich die Mitglieder identifizieren : »So sehen wir in der
ersten Hälfte des XVII. Jahrhunderts überall neues, frisch pulsierendes katholisches
Leben in den Bruderschaften.«22
Bernhard Raupach berichtet in Evangelisches Oesterreich/ das ist/ Historische Nachricht
von den vornehmsten Schicksahlen der Evangelisch-Lutherischen Kirchen in dem Ertz-Hert-
zogthum Oesterreich. Aus bewährten Scribenten und glaubwürdigen Urkunden gesammlet/
und in Ordnung gebracht (Hamburg 1732–1740) in chronologischer Reihenfolge un-
ter Hinzufügung zahlreicher Dokumente über die konfessionspolitischen Verhältnisse
dieser Zeit. Besonders im Abschnitt Schicksale der Evangelisch-Lutherischen Kirchen
in Oesterreich in Band 4 Erläutertes Evangelisches Oesterreich, Oder : Dritte und Letzte
Fortsetzung der Historischen Nachricht von den vornehmsten Schicksalen der Evangelisch-
Lutherischen Kirchen in dem Ertz-Hertzogthum Oesterreich (Hamburg 1740) beschreibt
er die gegenreformatorischen Maßnahmen unter Kaiser Ferdinand II.: »Hatte aber der
Kayser an diesen gezwungenen Gottesdienst ein so groses Vergnügen, so muste noht-
wendig seine Freude um desto gröser seyn, wenn sich solche funden, die sich ohne
Zwang bewegen liessen, die Evangelische Religion zu verlassen und die papistische an-
zunehmen« (S. 440). Raupach nennt unter den nicht vollkommen spontanen Übertrit-
ten prominenter Protestanten zur katholischen Kirche, »[…] da im Gegentheil die in
ihrem Glauben beständige Lutheraner, ob sie gleich noch so geschickt waren, von allen
wichtigen Bedienungen ausgeschlossen wurden […]« (S. 440), vor allem den besonders
bemerkenswerten Fall von Hans Ludwig von Kuefstein (1582–1656), Onkel des be-
22 Tomek : Das kirchliche Leben und die christliche Charitas in Wien, S. 306 ; vgl. auch Regeln und an-
dächtige Übungen der in der Stadt Wienn […] confirmirten Todten-Bruderschafft in dem Gotts-Hauß der PP.
Augustiner Barfüssern. Wien : Matthäus Cosmerovius 1650 und Handbüchlein der Löblichen uralten Bür-
gerlichen Bruderschafft unser Lieben Frawen Himmelfahrt in dem berühmbten Marckt Wilhelmsburg. Wien :
Matthäus Cosmerovius 1651.
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Giambattista Marinos Wort-Zucht-Peitschen und die Gegenreformation in Wien um 1655
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Title
- Giambattista Marinos Wort-Zucht-Peitschen und die Gegenreformation in Wien um 1655
- Author
- Alfred Noe
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2016
- Language
- German
- License
- CC BY-NC 3.0
- ISBN
- 978-3-205-79696-1
- Size
- 17.0 x 24.0 cm
- Pages
- 170
- Keywords
- Giambattista Marino, translation italian-german, Counterreformation, Giambattista Marino, Übersetzung italienisch-deutsch, Gegenreformation
- Categories
- Weiteres Belletristik