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112 Der Kontext der Gegenreformation in Paris 1617 und in Wien 1655
dringenderen Finanzbedarfs zur Erhaltung der kaiserlichen Armeen in Böhmen und
Mitteldeutschland enorm an und trifft vor allem die katholischen Territorien der ös-
terreichischen Monarchie : »Auch der vierte Stand und insbesondere die ›mitleidende‹
Stadt Wien bekam das Anziehen der Steuerschraube deutlich zu spüren. Die finanzi-
ellen Leistungen an den Landesfürsten nahmen zu, und ihre steigende Tendenz setzte
sich auch nach Kriegsende fort.«31
Einen Ausweg aus der finanziellen Notlage bietet die Verknüpfung von persönli-
chem Besitz und religiösem Bekenntnis, was bedeutet, dass die konfessionelle Säu-
berung des Territoriums mit einer für die abziehenden Protestanten äußerst unvor-
teilhaften, als mehr oder weniger freiwillig dargestellten Abtretung ihres Besitztums
verbunden werden kann. Diese durch den Dreißigjährigen Krieg entstehende Dyna-
mik erfasst nicht die gesamte Bevölkerung in gleichem Ausmaß, da die gehobenen
Schichten einerseits mehr politische und juridische Instrumente gegen die Enteig-
nungen zur Verfügung haben, andererseits aber auch einen bedeutenderen Teil des
Besitztums im Falle einer Exilierung zurücklassen müssen. Die niedrigeren Schichten
stehen zwar vielen behördlichen Maßnahmen beinahe wehrlos gegenüber, sind aber
auch mobiler, gerade wegen ihrer geringen materiellen Güter. Wie sich versteht, ist das
Ziel der konfessionspolitischen Regelungen letzten Endes ein einheitliches Staatsge-
bilde, das nach außen hin geschlossen aufzutreten vermag : »Jede denkbare Form von
›Ansteckung‹ mit ›falschen‹ Lehren sollte unterbunden werden. Dissidenten galt es
zu entfernen, die Grenzen zu andersgläubigen Nachbarstaaten nach Möglichkeit zu
schließen.«32 Es sind das im Grunde genau dieselben Prinzipien wie jene des begin-
nenden Absolutismus, welche die französische Politik in der Zeit der existenziellen
Bedrohung des Staatsgebildes nach der Ermordung von Heinrich IV. und während
der Regentschaft von Maria de’ Medici bestimmen und Richelieu schließlich zu einer
teilweise sogar gewaltsamen Einschränkung der Regelungen des Edikts von Nantes
veranlassen.
Insgesamt handelt es sich bei der Rekatholisierung der österreichischen Gebiete
um eine Entwicklung, die bereits in den letzten Jahrzehnten des 16. Jahrhunderts
einsetzt, deren Dynamik sich allerdings durch die kriegsbedingten Veränderungen
wesentlich beschleunigt und deren soziale Rahmenbedingungen durch die militäri-
31 Andreas Weigl : Die »Hauptstadt« Wien und der Dreißigjährige Krieg. In : Andreas Weigl (Hg.) : Wien
im Dreißigjährigen Krieg. Bevölkerung – Gesellschaft – Kultur – Konfession. Wien/Köln/Weimar :
Böhlau 2001, S. 15–30 ; hier S. 20.
32 Arthur Stögmann : Staat, Kirche und Bürgerschaft : Die katholische Konfessionalisierung und die Wie-
ner Protestanten zwischen Widerstand und Anpassung (1580–1660). In : Andreas Weigl (Hg.) : Wien
im Dreißigjährigen Krieg. Bevölkerung – Gesellschaft – Kultur – Konfession. Wien-Köln-Weimar :
Böhlau 2001, S. 482–564 ; hier S. 487.
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Giambattista Marinos Wort-Zucht-Peitschen und die Gegenreformation in Wien um 1655
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Title
- Giambattista Marinos Wort-Zucht-Peitschen und die Gegenreformation in Wien um 1655
- Author
- Alfred Noe
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2016
- Language
- German
- License
- CC BY-NC 3.0
- ISBN
- 978-3-205-79696-1
- Size
- 17.0 x 24.0 cm
- Pages
- 170
- Keywords
- Giambattista Marino, translation italian-german, Counterreformation, Giambattista Marino, Übersetzung italienisch-deutsch, Gegenreformation
- Categories
- Weiteres Belletristik