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116 Der Kontext der Gegenreformation in Paris 1617 und in Wien 1655
Herrnals erzehlet, daß sich daselbst jedesmal, aus Wien allein, bey zehen tausend Menschn
zum Gottesdienst versammlet hätten, also, daß, wer sich nicht in aller Frühe hinaus verfügt,
nicht einmal zum Gehör habe kommen können.40
Es ist daher nicht verwunderlich, dass Albert Knapp in der kleinen Sammlung Öster-
reichische Exulantenlieder evangelischer Christen aus der Zeit des dreißigjährigen Krieges
(Stuttgart : Steinkopf 1861) nach seiner äußerst polemischen historischen Einleitung
ein sehr langes (S. 38–45) Abschieds- und Klagelied, als die evangelische Gemeinde Hör-
nals verlassen mußte (1625) abdruckt. Dort es heißt es zu Beginn :
Von Gott bin ich verlassen,
Spricht Zion dieser Zeit,
Der HErr hat mein vergessen
In meinem großen Leid.
Nach Turteltäubleins Arte
Seufz’ ich allhie um dich,
Hörnals, du Gottesgarte,
Dein Leid betrübet mich. (S. 38)
Die katholische Partei dokumentiert ihren Triumph über diesen Hort des evangeli-
schen Widerstands mit einem architektonischen Zeichen, das die neue Spiritualität
markieren soll :
Mit der Errichtung des Hernalser Kalvarienberges sollte die Erinnerung an den protestan-
tischen Auslauf in diese Herrschaft nachhaltig gelöscht werden – ein Erinnerungsort sollte
damit durch eine neue Funktion überlagert werden. Den Endpunkt des von St. Stephan
ausgehenden Kreuzweges bildete ein 1639 in der Hernalser Kirche errichtetes Hl. Grab, das
dem Urbild von Jerusalem nachgebildet sein sollte.41
Dass die einsetzende Vertreibung nicht nur Wien betrifft, sondern auch die restlichen
Erbländer und dabei ebenso fallweise Personen aus dem Adel erfasst, geht aus dem
darauffolgenden Lied zum Adio der adeligen, ausgeschaftten Christen in Steier, componirt
von ihresgleichen guten Freunden (anno 1625) (S. 46–48) hervor.
40 Raupach : Evangelisches Oesterreich, S. 237.
41 Susanne C. Pils : Adel : Zuzug, Adeliges Haushalten, Sozialtopographie. In : Peter Csendes/Ferdinand
Opll (Hg.) : Wien. Geschichte einer Stadt. Band 2 : Die frühneuzeitliche Residenz (16. bis 18. Jahrhun-
dert). Hg. von Karl Vocelka und Anita Traninger. Wien-Köln-Weimar 2003, S. 242–255 ; hier S. 249.
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Giambattista Marinos Wort-Zucht-Peitschen und die Gegenreformation in Wien um 1655
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Title
- Giambattista Marinos Wort-Zucht-Peitschen und die Gegenreformation in Wien um 1655
- Author
- Alfred Noe
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2016
- Language
- German
- License
- CC BY-NC 3.0
- ISBN
- 978-3-205-79696-1
- Size
- 17.0 x 24.0 cm
- Pages
- 170
- Keywords
- Giambattista Marino, translation italian-german, Counterreformation, Giambattista Marino, Übersetzung italienisch-deutsch, Gegenreformation
- Categories
- Weiteres Belletristik