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122 Der Kontext der Gegenreformation in Paris 1617 und in Wien 1655
Sollizitatoren unter sich haben, aufgefordert, diese nach Ablauf von 6 Wochen zu
entlassen.«55
Andererseits scheint ein unmittelbares Vorgehen der Kommissäre gegen den Adel
nicht möglich, da der Widerstand Adeliger der Regierung angezeigt werden muss,
worauf die betreffenden Personen mittels einer Vorladung in die Hauptstadt zitiert
werden. Doch zeigt dieser mehr oder weniger sanfte Druck auch auf den Adel, dessen
Mitglieder ja im Falle eines reformatorischen Bekenntnisses schon seit Jahrzehnten
von höheren Funktionen ausgeschlossen wird, eine deutliche Wirkung. Raupach erin-
nert an die Behauptung des Jesuitenordens, im Jahr 1652 im Herzogtum Ă–sterreich
unter der Enns ca. 700 Lutheraner bekehrt zu haben, darunter Adam Maximilian
von Trautmannsdorff mit seiner ganzen Herrschaft Bruck an der Leitha. Es soll sich
bei diesen Ăśbertritten um 30 Familien aus dem evangelischen Ritterstand und 43
Fami lien aus dem evangelischen Herrenstand, zusammen 235 Personen, handeln, un-
ter welchen berühmte Namen wie Dietrichstein, Hardegg, Herberstein oder Jörger zu
finden sind. Verbittert stellt Raupach dazu fest : »Noch gröser aber waren die Drang-
sale des gemeinen Mannes im Lande, der noch evangelisch war, als welchem nicht
nur nicht vergönnet war, aus dem Lande zu ziehen, sondern noch dazu auf eine recht
grausame Weise zum papistischen Glauben gezwungen ward.«56
Als einzige Hoffnung bleibt diesen Personen der bevorstehende Reichstag, auf wel-
chem eine Revision der kaiserlichen Politik vergeblich angestrebt wird, denn alle Ver-
suche einer Milderung der Vorgehensweise in der konfessionellen Säuberung werden
abgewehrt :
Der Westfälische Friede von 1648 besserte die Lage der Evangelischen keineswegs, auch die
Hoffnungen, die sie auf den Regensburger Reichstag (1652–1654) gesetzt hatten, wurden
durch die Unerbittlichkeit des Kaisers zunichte gemacht. Das systematische Vorgehen gegen
die Protestanten, das Hoch- und Niedriggestellte in gleicher Weise traf, hat den Protestantis-
mus in Österreich im Laufe des Jahrhunderts bis auf wenige Reste zum Erlöschen gebracht.57
Die Abreise des Kaiserpaares zum Reichstag wird in einem Maximilian von Dietrich-
stein gewidmeten und 1652 bei Matthäus Rickhes in Wien gedruckten Gedichtband
von Alfonso Gualtieri glorifiziert. So wird im einleitenden Argomento von Nella par-
tenza delle MaestĂ Cesaree Dalla CittĂ di Vienna per la Dieta Imperiale die Stadt als Ad-
55 Piringer : Ferdinand des Dritten katholische Restauration, S. 116.
56 Raupach : Evangelisches Oesterreich, S. 464.
57 Ferdinand van Ingen : Das Kaiserbild bei den protestantischen deutschen Dichtern des 17. Jahrhunderts.
In : Herbert Zeman (Hg.) : Die österreichische Literatur. Ihr Profil von den Anfängen im Mittelalter bis
ins 18. Jahrhundert (1050–1750). Teil 2. Graz 1986, S. 1035–1054 ; hier S. 1039.
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Giambattista Marinos Wort-Zucht-Peitschen und die Gegenreformation in Wien um 1655
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Title
- Giambattista Marinos Wort-Zucht-Peitschen und die Gegenreformation in Wien um 1655
- Author
- Alfred Noe
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2016
- Language
- German
- License
- CC BY-NC 3.0
- ISBN
- 978-3-205-79696-1
- Size
- 17.0 x 24.0 cm
- Pages
- 170
- Keywords
- Giambattista Marino, translation italian-german, Counterreformation, Giambattista Marino, Ăśbersetzung italienisch-deutsch, Gegenreformation
- Categories
- Weiteres Belletristik