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133Der
Kontext der Gegenreformation in Paris 1617 und in Wien 1655
Auch der als kaiserlicher Hofkapellmeister in Wien wirkende Organist und Kom-
ponist Giovanni Valentini (1582–1649) widmet 1646 eine Sammlung rhetorischer
Übungen mit dem Titel Cento e venti anagrammi sovra Santo Saverio Apostolo dell’Indie
der Figur des hl. Franz Xaver. Ebenso mit Franz Xaver beschäftigt sich der vermutlich
1622 erstmals in Bologna veröffentlichte Ristretto della santa vita dell’Apostolo dell’Indie
S. Francesco Xaverio des Jesuiten Francesco Scorza (1585–1629), eine klassische Heili-
genvita, deren deutsche Ăśbersetzung Leben und Wunderwerck deĂź Indianischen Apostels
S. Francisci Xaverii 1655 in Innsbruck erscheint, sodass es für die anonyme, 1658 in
Wien nachgedruckte Relatione delle SolennitĂ fatte in Napoli in honore di San Francesco
Saverio Apostolo delle Indie (Erstdruck Neapel 1657) und die 1660 in Graz publizierte
Scelta d’alcuni miracoli operati da S. Francesco Saverio eines unbekannten Autors bereits
ein gut vorbereitetes Publikum gibt. Um einen noch weiteren Personenkreis zu errei-
chen, erscheint die ausfĂĽhrliche Beschreibung der Festlichkeiten vom 2. bis 9. De-
zember 1657 in Neapel nach Erlöschen der Pestepidemie, deren Ende dem Heiligen
und neu erhobenen Stadtpatron zugeschrieben wird, auch in deutscher Ăśbersetzung :
Aigentliche Beschreibung/ Eines von der WeitberĂĽhmbten Statt Neapolis dem HEJLJGEN
francisco xaverio, Der Jndianer Apostlen/ alß dero Neuerwöhlten Statt Patron, zu
algemeiner offentlicher Huldigung angestelten Ehrenfest (Wien : Johann Jakob KĂĽrner
1658).
Die zentrale Bedeutung der katholischen Ordensgemeinschaften, insbesondere der
Gesellschaft Jesu, innerhalb der gegenreformatorischen Politik des Kaiserhofs wirft –
wie sich versteht – ein äußerst erhellendes Licht auf das Verhältnis zwischen Staat
und Kirche bzw. dem Verständnis der Zeitgenossen von diesem Verhältnis. In dem
berühmtesten Werk des österreichischen Jesuitentheaters, der Pietas Victrix von Ni-
colaus von Avancini, kommt bereits im Untertitel zum Ausdruck, woher dieses spe-
zifische Verhältnis von Religion und Staat sein Vorbild bezieht : Pietas Victrix, sive
Flavius Constantinus Magnus, de Maxentio Tyranno Victor bzw. Obsigende Gottseeligkait.
Das ist Flavius Constantinus Der Grosse Nach ĂĽberwundenen Tyrann Maxentio Sighafft
(Wien : Matthäus Cosmerovius 1659). Am Beispiel des radikalen Gegensatzes zwi-
schen Konstantin und Maxentius, einem Motiv, das zahlreiche Jesuitendramen der
Zeit aufgreifen,80 wird in streng parallelen Szenenfolgen die ideale Vorstellung vom
Herrscher als BeschĂĽtzer des zur Staatsreligion aufsteigenden Christentums darge-
stellt : »Konstantin verkörpert das positive Herrschertum – Maxentius das negative,
Poussin : Saint François Xavier rappelant à la vie la fille d’un habitant de Cangoxima, au Japon, dit Le miracle
de saint François Xavier (1641).
80 In Fulda z. B. Der Sieg des Konstantinus ĂĽber Maxentius (1639) ; vgl. Bernhard Duhr : Geschichte der
Jesuiten in den Ländern deutscher Zunge. Freiburg i. Br. 1913, Bd. II.1, S. 679f.
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Giambattista Marinos Wort-Zucht-Peitschen und die Gegenreformation in Wien um 1655
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Title
- Giambattista Marinos Wort-Zucht-Peitschen und die Gegenreformation in Wien um 1655
- Author
- Alfred Noe
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2016
- Language
- German
- License
- CC BY-NC 3.0
- ISBN
- 978-3-205-79696-1
- Size
- 17.0 x 24.0 cm
- Pages
- 170
- Keywords
- Giambattista Marino, translation italian-german, Counterreformation, Giambattista Marino, Ăśbersetzung italienisch-deutsch, Gegenreformation
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