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134 Der Kontext der Gegenreformation in Paris 1617 und in Wien 1655
und zwar ohne alle Zwischentöne.«81 Das weltliche Herrschertum des christlichen
Kaisers wird als Analogie zur Weltregierung Gottes verstanden, der Herrscher in sei-
nen Handlungen als gottähnlich bezeichnet :
Quisquis ad clavum sedet,
Felicitas norma, collega est Dei
Mundum regentis […]82
In geschickt konstruierten Vergleichen und mehrfachen Hinweisen auf die WahlsprĂĽ-
che der jeweiligen Herrscherpersönlichkeiten gelingt Avancini die im Titel angekün-
digte Reinkarnation des ersten christlichen Kaisers in der Gestalt von Leopold I.:
»Noch konsequenter erscheinen die Korrespondenzen, wenn man Crispus mit Fer-
dinand IV., dem älteren Bruder Leopolds, vergleicht. Beide starben vor dem Tod des
jeweiligen Vaters, Konstantin – Ferdinand III., und der jeweilige Bruder, Konstantin
d. J. – Leopold, nahm ihre Stelle als Kronerbe ein.«83 Mehr noch als Konstantin d. J.
bezieht Leopold seine Legitimation als Herrscher aus seiner pietas, der Grundlage der
gottgefälligen Gesellschaftsordnung und aller christlichen Regierungen, einer Tugend,
die besonders seinem Großvater Ferdinand II. in allen zeitgenössischen Quellen zu-
gesprochen wird und dem Enkel als Grundlage der praktischen Politik dienen soll :
»Nicht ohne Grund wird ›Pietas‹ fast immer durch ›Consilium‹ (›Rath‹) und ›Indus-
tria‹ (›Fleiß‹) in ihrem siegreichen Kampf unterstützt, repräsentieren beide doch die
Zentralbegriffe des Mottos, das Leopold I. sich wählte.«84
Kaum Beachtung findet in der Forschungsliteratur die Tatsache, dass Avancini
seinen Titel wörtlich aus einer genau 20 Jahre davor veröffentlichten Gedichtsamm-
lung seines Ordensbruders François de Montmorency (1578–1640), Vorsitzender des
Domkapitels von Lüttich, übernimmt : Pietas Victrix (Antwerpen 1639). Um die öster-
reichischen Siege zu rühmen (in der Einleitung heißt es : »[…] celebrandis recentibus
Pietatis Avstriacae Victorijs«), beschreibt der Autor kunstvoll in sieben Psalmpara-
phrasen mit zahlreichen Verweisen auf die klassische lateinische Literatur die Kämpfe
um die niederländischen Gebiete. Montmorency unterstreicht, dass die göttlichen
81 Wimmer : Constantinus redivivus, S. 1112.
82 Willi Flemming (Hg.) : Barockdrama Bd. 2. Das Ordensdrama. Leipzig 1930, S. 184–303 ; hier S. 186.
83 Wimmer : Constantinus redivivus, S. 1115.
84 Franz GĂĽnter Sieveke : Actio scaenica und persuasorischer Perfektionismus. Zur Funktion des Theaters
bei Nikolaus Avancini S. J. In : Herbert Zeman (Hg.) : Die österreichische Literatur. Ihr Profil von den
Anfängen im Mittelalter bis ins 18. Jahrhundert (1050–1750). Teil 2. Graz 1986, S. 1255–1282 ; hier
S.Â
1270 ; vgl. auch W. de Porta (= Wilhelm Wichmann) : Die Devisen und Motto der Habsburger. Wien :
Hölder 1887.
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Giambattista Marinos Wort-Zucht-Peitschen und die Gegenreformation in Wien um 1655
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Title
- Giambattista Marinos Wort-Zucht-Peitschen und die Gegenreformation in Wien um 1655
- Author
- Alfred Noe
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2016
- Language
- German
- License
- CC BY-NC 3.0
- ISBN
- 978-3-205-79696-1
- Size
- 17.0 x 24.0 cm
- Pages
- 170
- Keywords
- Giambattista Marino, translation italian-german, Counterreformation, Giambattista Marino, Ăśbersetzung italienisch-deutsch, Gegenreformation
- Categories
- Weiteres Belletristik