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Philip Dwyer
Religion und Gewalt in den Revolutions-
und Napoleonischen Kriegen
Zwischen Tradition und Moderne
Der Widerstand, der in den eroberten Ländern Europas gegen die revoluti-
onären und napoleonischen Heere geleistet wurde, wird häufig als ideolo-
gisches Aufeinanderprallen von Revolution und Gegenrevolution gedeutet.
Das ist insofern ungünstig, als dadurch wenig Raum bleibt für Reaktionen,
die zwischen diesen Extremen liegen. Tatsächlich waren Gründe, aus denen
die Zeitgenossen sich den Franzosen entgegenstellten oder Widerstand leis-
teten, vielfältig und keineswegs durchweg ideologischer Art. Die Requisiti-
onen und Plünderungen, zu denen es um 1800 überall in großem Stil kam
und bei denen es sich mithin um von offizieller Seite gutgeheißene Raub-
züge handelte, sorgten für Widerwillen und zuweilen blutige Aufstände1.
Nicht anders verhielt es sich mit Blick auf die Mehrlasten durch Steuern,
den Einzug junger Männer zum Militär und die wirtschaftliche Ausbeutung
insgesamt. Zu den weiteren Faktoren, die lokalen Widerstand hervorriefen,
gehörten ferner lokales Autonomiebewusstsein, eine Abneigung gegenüber
dem Fremden und die Ablehnung staatlicher Einmischung. Eine religiöse
Motivation für die anti-französischen Proteste ziehen Historiker allenfalls
als sekundären Faktor in Betracht. So haben nur wenige Forscher untersucht,
welche Rolle Religion und speziell der Katholizismus bei der Entscheidung
der gewöhnlichen Bevölkerung, die französische Militärverwaltung und die
von ihr eingeführten Reformen zu unterstützen oder sich ihnen entgegenzu-
stellen, gespielt haben2. Wo sie doch untersucht wird, wird Religion, zumal
in Gestalt der römisch-katholischen Kirche, als eng mit gegenrevolutionären
1 Vgl. Michael Rowe, From Reich to State. The Rhineland in the Revolutionary Age,
1780–1830, Cambridge 2003, S. 55f. Mein Dank für die Kommentare zur ersten Fas-
sung dieses Beitrags gilt Eveline Bouwers und einem anonymen Gutachter.
2 Für Ausnahmen zu dieser Regel siehe auch Timothy C. W. Blanning, The Role of
Religion in European Counter-Revolution, 1789–1815, in: Derek Beales / Geoffrey
Best (Hg.), History, Society, and the Churches. Essays in Honour of Owen Chad-
wick, Cambridge 1985, S.
195–214; Horst Carl, Religion and the Experience of War.
A Comparative Approach to Belgium, the Netherlands and the Rhineland, in: Alan
Forrest u.a. (Hg.), Soldiers, Citizens and Civilians. Experiences and Perceptions of
the Revolutionary and Napoleonic Wars, 1790–1820, Basingstoke 2009, S. 222–242.
Glaubenskämpfe
Katholiken und Gewalt im 19. Jahrhundert
- Title
- Glaubenskämpfe
- Subtitle
- Katholiken und Gewalt im 19. Jahrhundert
- Editor
- Eveline Bouwers
- Publisher
- Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co
- Date
- 2019
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-666-10158-8
- Size
- 15.9 x 23.7 cm
- Pages
- 362
- Keywords
- 19. Jahrhundert, katholische Kirche, Gewalt, Legitimation, Glaube, Katholizismus, historische Entwicklung, Säkularisierung, Pluralismus, historische Analyse, Geschichtsschreibung, strukturelle Gewalt, Diskurs
- Categories
- Geschichte Vor 1918