Page - 193 - in Glaubenskämpfe - Katholiken und Gewalt im 19. Jahrhundert
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193Religion,
Kindheit und Gewalt im kolonialen Neuguinea um 1900
Verhältnisse wieder aufzugeben12. Stattdessen entschlossen sich die Missio-
nare zur Errichtung einer Station auf Tumleo, der bereits eingangs genann-
ten kleinen Insel im Nordosten der Küste Kaiser Wilhelmslands. Das etwa
90 Hektar große Tumleo, welches damals 280 bis 290 Einwohner und Ein-
wohnerinnen zählte13, wies zwar keinerlei koloniale Infrastruktur auf 14,
war in den Augen der Missionare jedoch wegen seiner Funktion als wichti-
ger Handelsplatz für Lebensmittel, traditionelle Waffen und Töpferware ein
geeigneter Ort für eine Missionsstation15. Mit deren Errichtung war jedoch
nur der erste Schritt getan: Wenngleich sich die Dinge auf Tumleo zunächst
mit dem Auf- und Ausbau der Missionsstation, einer Kirche, Plantagen und
Schulen sowie ersten Taufen durchaus im Sinne der Missionare und der 1899
angekommenen Missionsschwestern entwickelten, blieben vielfache Belas-
tungen und vor allem Enttäuschungen nicht aus. Ganz im Gegenteil: Hun-
ger, Anstrengung, Krankheit, Einsamkeit, Isolation, Spannungen, Intoleranz
und Rückschläge sollten zu einem festen Teil des missionarischen Alltags
werden und auch das Verhältnis der Missionare und Missionsschwestern zu
den Inselbewohnern und -bewohnerinnen nachhaltig prägen16.
Insgesamt zeichnen die Quellen vom Beginn der Missionstätigkeit auf
Tumleo ein ambivalentes Bild. So wird zum einen deutlich, dass sich durch-
aus bald regelmäßige Kontakte zwischen der Mission und der Bevölkerung
Tumleos sowie auch den benachbarten Inseln und einigen Orten auf der
Hauptinsel entwickelten. Die ersten Missionsschwestern berichteten kurz
nach ihrer Ankunft 1899 von einem freundlichen Empfang der Einwohne-
rinnen und Einwohner Tumleos, welche sie bei Dorfbesuchen stets in ihre
»Hütten« einladen würden17. Sie schrieben darüber hinaus über die Anhäng-
12 Es sollte in der Tat noch knapp zehn Jahre dauern, bis die katholische Mission mit der
großen Missionsstation und dem späteren Bischofssitz in Alexishafen eine Zentrale
in unmittelbarer Nähe zu Friedrich-Wilhemshafen errichtete.
13 Für Informationen zur Insel, ihrer Lage und Einwohnerschaft, siehe Mathias Erd-
weg, Die Bewohner der Insel Tumleo, Berlinhafen, Deutsch-Neu-Guinea, in:
Mitteilungen der Anthropologischen Gesellschaft in Wien 32 (1902), S. 274–399,
hier S. 274–278.
14 Die Missionare schrieben nur über einen deutschen Pflanzer, der 180 Seemeilen ent-
fernt gelebt und die Missionare unterstützt hatte, jedoch nur drei Monate nach ihrer
Ankunft verstorben war; vgl. Alt, Geschichtliche Einleitung, S. XLIIf.
15 Auch hoffte man, dass die Insellage ein etwas gesünderes Klima für Europäer und
Europäerinnen bedeuten würde; ebd.
16 Eine hervorragende Studie über die Geschichte der Missionstätigkeit der SVD auf
Neuguinea bietet Mary Taylor Huber, The Bishop’ s Progress. A Historical Ethno-
graphy of Catholic Missionary Experience on the Sepik Frontier, Washington u.a.
1988.
17 Schwester Ursula Sensen schrieb z.B. 1899 nach Europa: »Die Leute sind hier alle sehr
freundlich, wenn wir mal in ein Dorf kommen, dann kriechen alle Männer, Frauen
Glaubenskämpfe
Katholiken und Gewalt im 19. Jahrhundert
- Title
- Glaubenskämpfe
- Subtitle
- Katholiken und Gewalt im 19. Jahrhundert
- Editor
- Eveline Bouwers
- Publisher
- Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co
- Date
- 2019
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-666-10158-8
- Size
- 15.9 x 23.7 cm
- Pages
- 362
- Keywords
- 19. Jahrhundert, katholische Kirche, Gewalt, Legitimation, Glaube, Katholizismus, historische Entwicklung, Säkularisierung, Pluralismus, historische Analyse, Geschichtsschreibung, strukturelle Gewalt, Diskurs
- Categories
- Geschichte Vor 1918