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236 Sean Farrell
Verschwörer davongekommen seien. In einer im November 1856 gehaltenen
Festpredigt u.a. zum Gedenken an die Pulververschwörung bezeichnete der
Reverend Thomas Drew den Bahnfrevel von Trillick als jüngstes Beispiel
weltweiter Bestrebungen, sich dem Fortschreiten der protestantischen Wahr-
heit in den Weg zu stellen52. Größtenteils aber ließen die führenden Oranier
ebenso wie ihre Verbündeten von der Sache ab und wandten sich anderen
Beweisen für die angebliche Heimtücke der Katholiken zu.
Es überrascht nicht, dass andere Stimmen weniger verhalten reagierten.
Das Freeman’ s Journal schwelgte geradezu in der Entscheidung und verlieh
der Gewissheit Ausdruck, ein jeder »protestantischer Gentleman« in diesem
»christlichen Land« würde sich loben, dass »überschwängliche protestan-
tische« Geschichten von katholischen Verschwörungen widerlegt worden
seien. Der Leitartikel schloss mit der Mahnung, die führenden Oranier wür-
den sich hoffentlich des Scheiterns ihrer Bemühungen erinnern, »päpstliche
Gräueltaten wie das große Massaker von Trillick herbeizuphantasieren«53.
Im Ulsterman wütete Dennis Holland gegen den verderblichen Einfluss des
Oranismus und sah im Freispruch ein abermaliges Schlaglicht auf die dem
Verfahren zugrundeliegende Ungerechtigkeit geworfen. Hier habe es sich
um Männer gehandelt, die man unter falschem Verdacht monatelang gefan-
gen gehalten habe – überdies Männer aus bescheidenen Verhältnissen, die
Familien zu ernähren hatten. Um trotzdem eine Erklärung für das Unglück
zu liefern, behauptete Holland, es sei auf ein »grausam gefährliches Experi-
ment« der Eisenbahngesellschaft zurückzuführen, die einen allzu schweren
und großen Zug durch eine zu scharfe Kurve auf unsicherem Untergrund
geschickt habe. Das Derry Journal ging noch weiter, indem es mutmaßte, die
Gesellschaft habe wohl die Mauerkronen auf die Gleise gelegt, um den Ver-
dacht von sich abzulenken54. Für keine dieser Geschichten liegen Beweise
vor. Doch ist dies der gemeinsame Nenner so vieler Geschichten über das
Unglück nahe Trillick: Sie strotzen vor »alternativen Fakten«.
Fazit
Hinter dem weithin geteilten Anti-Oranismus, der in diesem Beitrag heraus-
gearbeitet wurde, verbergen sich beträchtliche Unterschiede in der Berichter-
stattung über den als Ereignis »konfessioneller Gewalt« dargestellten Bahn-
frevel von Trillick. Die Auswüchse des Oraniertums klagten insbesondere
52 Tyrone Constitution, 20. Juli 1855; Downshire Protestant, 17. August 1855; Belfast
News Letter, 6. November 1856.
53 Freeman’ s Journal, 23. Juli 1855.
54 Vgl. Fitzgerald, The Trillick Derailment, S. 45f.
Glaubenskämpfe
Katholiken und Gewalt im 19. Jahrhundert
- Title
- Glaubenskämpfe
- Subtitle
- Katholiken und Gewalt im 19. Jahrhundert
- Editor
- Eveline Bouwers
- Publisher
- Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co
- Date
- 2019
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-666-10158-8
- Size
- 15.9 x 23.7 cm
- Pages
- 362
- Keywords
- 19. Jahrhundert, katholische Kirche, Gewalt, Legitimation, Glaube, Katholizismus, historische Entwicklung, Säkularisierung, Pluralismus, historische Analyse, Geschichtsschreibung, strukturelle Gewalt, Diskurs
- Categories
- Geschichte Vor 1918