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247Missionare
als Opfer muslimischer Gewalt?
Die Missionarinnen und Missionare verbrachten ab Februar 1888 knapp
elf Monate in Pugu, bevor die Station im Januar 1889 zerstört und nicht wie-
dererrichtet wurde. Die ankommenden Missionare hatten den Vorschlag der
DOAG-Repräsentanten ausgeschlagen, sich in Daressalam mit einem Hospi-
tal und einem Waisenhaus niederzulassen. Amrhein hatte den Missionaren
aufgetragen, eine Station »in thunlicher Entfernung von der ganz dem Ara-
bertum und Mohamedanismus [!] anheimgefallenen Küste, inmitten eines
ganz heidnischen Stammes der schwarzen Ureinwohner zu errichten«, aber
nicht zu weit vom Hafen. Sie solle »auf einer Anhöhe fern von sumpfigen
Landstrichen, in der Nähe einer Quelle, aber fern von großen Gewässern, auf
fruchtbarem Boden und unter zahlreicher Bevölkerung« liegen13. Pugu war
also keine Kulturinsel in einer urwaldartigen Wildnis, wie die Zeichnung
suggerierte. Der Ort lag etwa 20 Kilometer oder fünf Wegstunden südwest-
lich von Daressalam in Usaramo. Die Küste war also verhältnismäßig bequem
an einem Tag zu erreichen, der Weg neu in Stand gesetzt. Dies geschah nicht
für die Benediktiner oder die etwa 500 Wasaramo14 von Pugu. Vielmehr
hatte in Pugu der DOAG-Vertreter August Leue im Frühjahr 1888 eine Nie-
derlassung gegründet, um Kopal (Baumharz) zu produzieren und Versuche
mit Exportprodukten wie Tabak, Kaffee und Kakao zu machen – eine von
ca. 30 DOAG-Niederlassungen im Küstenhinterland15. In unmittelbarer
Nähe betrieb außerdem ein Österreicher namens Roos eine Plantage. Leue
dürfte den Missionaren Pugu empfohlen haben und freute sich, dass mit sei-
ner Niederlassung, Roos’ Plantage und der Mission im Laufe des Jahres 1888
»ein kleines Gemeinwesen« entstanden war16. Den Pugu-Hügeln vorgelagert
lagen zwei Wasaramo-Dörfer, deren Bewohner sich kooperativ zeigten
– dies
allerdings unter den kompromisslosen, auf überlegene Waffen gestützten
Bedingungen der DOAG-Herrschaft.
Die Darstellung von Gebäuden und Garten zeigen Amrheins Bemühen,
Bescheidenheit und Ordnung als Ausweis von Zivilisation abzubilden. Die
tatsächliche Bauweise der Mission unterschied sich aber von seiner mittel-
europäischen, ja alpenländischen Skizze; z.B. berichteten die Missionare, sie
und namentlich der Arbeit nach und nach zu Christus gebracht werden soll«;
Andreas Amrhein, Unsere Mission, in: Missionsblätter A.F. 2 (1889), Sp. 31, siehe
auch Sp. 25–33.
13 Ebd., Sp. 376.
14 Mitglieder einer Bevölkerungsgruppe, die im Hinterland von Daressalam und Baga-
moyo lebte.
15 Vgl. Gilbert Gwassa, The German Intervention and African Resistance in Tanzania,
in: Isaria N. Kimambo / Arthur J. Temu (Hg.), A History of Tanzania, Nairobi 1969,
S. 85–122, hier S. 101.
16 August Leue, Dar-es-Salaam. Bilder aus dem Kolonialleben, Berlin 1903, S. 14.
Damit stellte Pugu eine der größten deutschen Niederlassungen an der Küste dar;
vgl. Jonathon Glassman, Feasts and Riot. Revelry, Rebellion, and Popular Con-
sciousness on the Swahili Coast 1856–1888, Portsmouth 1995, S. 196.
Glaubenskämpfe
Katholiken und Gewalt im 19. Jahrhundert
- Title
- Glaubenskämpfe
- Subtitle
- Katholiken und Gewalt im 19. Jahrhundert
- Editor
- Eveline Bouwers
- Publisher
- Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co
- Date
- 2019
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-666-10158-8
- Size
- 15.9 x 23.7 cm
- Pages
- 362
- Keywords
- 19. Jahrhundert, katholische Kirche, Gewalt, Legitimation, Glaube, Katholizismus, historische Entwicklung, Säkularisierung, Pluralismus, historische Analyse, Geschichtsschreibung, strukturelle Gewalt, Diskurs
- Categories
- Geschichte Vor 1918