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248 Richard Hölzl
hätten das Erdgeschoss »nach Tropenart« ein gutes Stück über dem Boden
auf Pfosten und in ortsüblicher Lehmbauweise errichtet17. Arbeiter unter
den Wasaramo waren leicht zu finden, da die Missionare ortsübliche Löhne
bezahlten. Aus gesundheitlichen Gründen stellten die Missionare bald meh-
rere Dutzend Arbeiter ein. Diese verfügten wahrscheinlich über die nötige
Kenntnis, um den Lehmholzbau auszuführen. An der Küste konnte mit Geld
oder Stoffen bezahlt werden und die Missionare waren finanziell gut ausge-
stattet. Die Mission mochte auch deshalb attraktiv sein, da sie den Arbeitern
Gelegenheit bot, technische Innovationen in der Schmiede-, Wald-, Tischler-
und Wagnerarbeit kennenzulernen. Bonifaz Fleschutz, der Leiter der Station,
riet in seinen Briefen, die Handwerkerbrüder in der Führung und Ausbildung
von Gehilfen zu schulen. Anders als geplant arbeiteten die Brüder weniger
selbst, sondern beaufsichtigten die Arbeiter aus der lokalen Bevölkerung18.
Die Missionare hatten geplant, von Jagd und eigener Landwirtschaft zu
leben. Dafür hatten sie Jagdgewehre, Pulver und Saatgut aus Europa mit-
gebracht und versuchten im Inland Rinder zu kaufen19. Die ausreichende
Selbstversorgung erwies sich als utopisch. Ein Bruder berichtete verbittert,
in den ersten vier Monaten hätten sie von zwei Mahlzeiten gelebt, Gurken
und Kürbisbrei. Zu mangelhafter Ernährung, wenig Schlaf und den klima-
tischen Bedingungen schlecht angepassten Arbeitsrythmen (kaum Mittags-
pausen), kamen Tropenkrankheiten, v.a. Malaria. Nach wenigen Wochen
litten gleichzeitig sechs Brüder und Pater Bonifaz an schwerem Fieber. Nach
einem halben Jahr waren ein Bruder und eine Schwester verstorben, ein wei-
terer Bruder reiste zusammen mit einer Schwester, beide sehr geschwächt,
nach St. Ottilien zurück20. Diese prekären Zustände sollten die Benedikti-
nermission in Ostafrika auch in den Folgejahren kennzeichnen. Insgesamt
starben in der ersten Dekade 28 Missionare und Missionarinnen, eine ähn-
liche Anzahl wurde wegen gesundheitlicher Probleme nach Deutschland
zurückberufen21.
Die soziale Zusammensetzung der Station gestaltete sich komplexer als
Amrheins Zeichnung vermuten lässt. Schon bei ihrer ersten Reise nach Pugu
17 Fritz Bley, Deutsche Pionierarbeit in Ostafrika, Berlin 1891, S. 97–110 zum Haus-
bau in Usaramo. Zitat: Unsere Mission, Sp. 385. Der Reisende Otto Ehlers berichtete
davon, dass »alle Gebäude nur provisorisch errichtet sind und mit der Zeit durch
Steinbauten ersetzt werden sollten«. Zitiert nach Die katholischen Missionen (1889),
S. 35.
18 Vgl. Siegfried Hertlein, Ndanda Abbey, Part I. Beginning and Development up to
1932, St. Ottilien 2008, S. 51.
19 Bonifaz Fleschutz, Eine Tagereise ins Innere, in: Missionsblätter A.F. 1 (1888 / 89),
Sp. 397–411.
20 Siehe Hertlein, Ndanda Abbey, Part I, S. 44–46.
21 Alfons M. Adams, Im Dienste des Kreuzes. Erinnerungen aus meinem Missionsle-
ben in Ostafrika, St. Ottilien u.a. 1899, S. 9.
Glaubenskämpfe
Katholiken und Gewalt im 19. Jahrhundert
- Title
- Glaubenskämpfe
- Subtitle
- Katholiken und Gewalt im 19. Jahrhundert
- Editor
- Eveline Bouwers
- Publisher
- Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co
- Date
- 2019
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-666-10158-8
- Size
- 15.9 x 23.7 cm
- Pages
- 362
- Keywords
- 19. Jahrhundert, katholische Kirche, Gewalt, Legitimation, Glaube, Katholizismus, historische Entwicklung, Säkularisierung, Pluralismus, historische Analyse, Geschichtsschreibung, strukturelle Gewalt, Diskurs
- Categories
- Geschichte Vor 1918