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251Missionare
als Opfer muslimischer Gewalt?
nur die unentgeltliche Arbeit von Abhängigen beaufsichtigten, wurde nicht
thematisiert. Aus ostafrikanischer Sicht waren die Mönche und Schwes-
tern dadurch noch weniger von der DOAG und den Pflanzern zu unter-
scheiden34.
Die Missionare und Missionarinnen bemühten sich im Alltag, dem mo-
nastischen Ideal gerecht zu werden, die Chorgebete regelmäßig zu sprechen
und zu singen, silentium und Lektüre zu Mittag einzuhalten, auf Reisen
aus dem Brevier zu beten und die katholische Liturgie angemessen zu fei-
ern. Die Mission war für die Verhältnisse reich mit rituellen Gegenständen
ausgestattet, mit Kelchen und Zimborien, Messgewändern und Paramenten,
Altar und Tabernakel, sogar mit einem Baldachin für Prozessionen mit dem
Allerheiligsten35. Die Männer und Frauen versuchten, sich nach außen als
distinkt von anderen Europäern der Gegend darzustellen. Diese performa-
tive Ebene dürfte mit einer starken Identifikation mit dem missionarischen
Sendungsauftrag und dem monastisch-benediktinischen Ideal der Abschlie-
ßung von der Welt und Abtötung des Weltlichen einhergegangen sein. Die
Identifikation mit der monastischen Kultur dürfte sich in den harten ersten
Monaten der Mission eher verstärkt haben. In den Briefen nach Europa ver-
liehen sie ihrer Opferbereitschaft und ihrem Gottvertrauen Ausdruck und
erbaten Gebete aus der Heimat. Oft bezogen sie sich dabei auf die Geschichte
des Benediktinerordens, riefen an den jeweiligen Namenstagen einzelne
mittelalterliche Vorgänger auf oder verwiesen auf die Gründung der Abtei
Monte Cassino durch Benedikt von Nursia im Jahr 529, um ihre eigene Lage
zu beschreiben. Sie verglichen die Bevölkerung Ostafrikas mit den Sachsen,
Germanen oder Skandinaviern, und begriffen sie damit als ein »Heidenvolk«
unter vielen. In die religiösen und kulturellen Eigenheiten der lokalen Bevöl-
kerung vertieften sich die Benediktiner in den ersten Monaten ihres Lebens
in Pugu kaum. Zwar gab Pater Bonifaz Ende April 1888 an, er wolle ver-
suchen, Religion, Sitten und Bräuche der Wasaramo zu erforschen, in den
Berichten und Briefen findet sich darüber aber nichts36. Ex negativo ist von
den Missionaren 1888 nur zu erfahren, dass die Wasaramo um Pugu keine
Muslime waren
– dies war die Voraussetzung für die Niederlassung der Mis-
sion gewesen. Küstenregionen, insbesondere muslimisch geprägte, wie die
34 Vgl. Napachihi, Relationship, S. 143–145.
35 Dies lässt sich den Berichten über die spätere Zerstörung entnehmen; Amrhein,
Brandopfer, Sp. 456–459.
36 Vgl. Hertlein, Ndanda Part I, S. 48. Allzu viel war zeitgenössisch nicht über die
Religion der Wasaramo bekannt. Der Geograf Stuhlmann etwa berichtete 1894 ein-
zelne, für ihn kuriose Details; Franz Stuhlmann, Forschungsreisen in Usaramo, in:
Mittheilungen von Forschungsreisenden und Gelehrten aus den deutschen Schutzge-
bieten 7 (1894), S. 223–235.
Glaubenskämpfe
Katholiken und Gewalt im 19. Jahrhundert
- Title
- Glaubenskämpfe
- Subtitle
- Katholiken und Gewalt im 19. Jahrhundert
- Editor
- Eveline Bouwers
- Publisher
- Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co
- Date
- 2019
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-666-10158-8
- Size
- 15.9 x 23.7 cm
- Pages
- 362
- Keywords
- 19. Jahrhundert, katholische Kirche, Gewalt, Legitimation, Glaube, Katholizismus, historische Entwicklung, Säkularisierung, Pluralismus, historische Analyse, Geschichtsschreibung, strukturelle Gewalt, Diskurs
- Categories
- Geschichte Vor 1918