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252 Richard Hölzl
Mrima-Küste Ostafrikas, galten als dekadent und kaum zu missionieren37.
Die Benediktiner gingen zunächst wohl nicht sehr weit über die vagen vorge-
fassten Urteile Amrheins hinaus, der vom Evangelisieren eines »ganz heidni-
schen Stammes der schwarzen Ureinwohner« gesprochen hatte38.
Die Wasaramo dürften eine gewisse Erfahrung mit religiöser Differenz
gehabt haben. Richtet man sich nach den ethnografischen Berichten der
Zeit um 1900, die sicherlich eurozentrisch überformt waren, gingen sie
ihren eigenen Vorstellungen über das Weiterwirken der Ahnen nach und
versuchten dieses mit religiösen Praktiken zu kontrollieren. Sie erklärten
sich die Entstehung der Welt durch einen Gott, der nicht in den Alltag der
Menschen eingriff, und praktizierten aufwendige Übergangsrituale, die die
Gesellschaft sozio-kulturell und religiös integrierten. Der Berliner Missio-
nar Martin Klamroth berichtete 1910 von der Konkurrenz islamischer Heiler
und Wasaramo Waganga (sw., sing. Mganga, Heiler, zeitgenössisch als »Zau-
berer« bezeichnet)39. Sowohl ihre traditionellen religiösen Auffassungen als
auch die Erfahrung mit dem Islam an der Swahili-Küste dürfte sie von einem
engen Zusammenhang von religiösen, sozialen, politischen und ökonomi-
schen Praktiken überzeugt haben. Dass die Benediktiner eine Verflechtung
dieser Sphären durch religiöse Rituale und habituelle Distinktionen negieren
wollten, war wohl befremdlich bzw. unverständlich.
Missionsbenediktiner und DOAG-Herrschaft
Amrheins Zeichnung war das monastisch-außerweltliche, ja insulare Selbst-
verständnis durchweg inhärent
– besonders hervorgehoben durch ein monu-
mentales Holzkreuz, begleitet von einer ebenso monumentalen Flagge des
deutschen Reichs. Es gibt zahlreiche Gründe, nach den sozialen Beziehungen
zwischen Mission und Handelsgesellschaft zu fragen, nicht zuletzt aufgrund
der nachfolgenden Zerstörung der Mission. Mochten sich die Mönche und
Schwestern auch sehr wohlwollend von den Vertretern der DOAG behandelt
gefühlt haben, von ihrem Herrschaftsmodus grenzten sie sich ab. Pater Boni-
faz schrieb nach St. Ottilien:
37 Vgl. Richard Hölzl, Rassismus, Ethnogenese und Kultur. Afrikaner im Blickwinkel
der deutschen katholischen Mission im 19. und 20. Jahrhundert, in: WerkstattGe-
schichte 59 (2011), S. 7–34.
38 Amrhein, Unsere Mission, Sp. 376.
39 Martin Klamroth, Beiträge zum Verständnis der religiösen Vorstellungen der
Saramo im Bezirk Daressalam (Deutsch-Ostafrika), in: Zeitschrift für Kolonialspra-
chen 1 (1910 / 11), S. 37–70, 118–153, 189–223.
Glaubenskämpfe
Katholiken und Gewalt im 19. Jahrhundert
- Title
- Glaubenskämpfe
- Subtitle
- Katholiken und Gewalt im 19. Jahrhundert
- Editor
- Eveline Bouwers
- Publisher
- Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co
- Date
- 2019
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-666-10158-8
- Size
- 15.9 x 23.7 cm
- Pages
- 362
- Keywords
- 19. Jahrhundert, katholische Kirche, Gewalt, Legitimation, Glaube, Katholizismus, historische Entwicklung, Säkularisierung, Pluralismus, historische Analyse, Geschichtsschreibung, strukturelle Gewalt, Diskurs
- Categories
- Geschichte Vor 1918