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254 Richard Hölzl
Die Benediktiner meinten mit weltlichen Europäern und besonders den
Vertretern der DOAG wenig gemein zu haben. Dies war die Binnenperspek-
tive – sie führte dazu, dass die Missionare es ablehnten, ihre Station zu ver-
lassen, als der Kolonialkrieg die Umgebung Daressalams erfasste. Schließ-
lich hatten die Kämpfer des Swahili-Führers Abushiri die Missionsstation
der Spiritaner in Bagamoyo verschont und sie sogar als Zufluchtsort genutzt.
Allerdings waren die französischen Missionare weit weniger eindeutig
mit der DOAG assoziiert. Bereits etabliert als die DOAG auf den Plan trat,
unterhielten sie gute Beziehungen zu den Swahili-Eliten in ihrer Nachbar-
schaft. Auch sie hatten Hunderte ehemalige Sklavenkinder auf ihrer Station,
ein Gegensatz zu den Händlern und Plantagenbesitzern ergab sich daraus
aber nicht45.
Pater Bonifaz hatte die Schwestern im Oktober zum Schutz nach Dares-
salam geschickt, holte sie später aber wieder zurück. An die Propaganda-
Kongregation in Rom schrieb er, die Bevölkerung unterscheide sehr wohl
zwischen Missionaren und anderen Deutschen46. Aus dem Blickwickel der
Ostafrikaner, mit denen die Benediktiner zusammentrafen, dürften die reli-
giösen Distinktionsversuche der Mönche weniger bedeutend gewesen sein.
Verschiedene DOAG-Vertreter wie Leue vom Nachbarhügel verkehrten
regelmäßig auf der Station47. Die Benediktiner wickelten ihre wirtschaftli-
chen Belange über die DOAG-Station in Daressalam ab, wo auch ihre Träger
abgingen und anlandeten, und nutzten die Infrastruktur der Handelsgesell-
schaft. Sie ließen sich von ihr Übersetzer und lokale Kontakte vermitteln,
übernahmen die Sklavenkinder von den arabischen Schiffen und ließen
die deutsche Flagge über Pugu wehen. Der Streit um das Hissen der Flag-
gen des Sultans in den Küstenstädten war 1887 einer der Anlässe für den
Kolonialkrieg gewesen48.
Am 13. Januar 1889 überfielen schließlich an die Einhundert Kämpfer
Abushiris die Station in Pugu. Sie töteten zwei Brüder und eine Schwes-
ter49. Zwei Brüder entkamen – durch die Wälder geführt von Rukgaume
und einem weiteren Mzaramo aus Pugu
– nach Daressalam zur DOAG-Nie-
derlassung. Eine Schwester, zwei Brüder und zwei Küchenmädchen wurden
45 Bagamoyo war geografisch und politisch anders situiert: Die Hafenstadt war als
Handelszentrum dicht besiedelt und die Spiritaner Mission lag direkt zwischen
den Plantagen und Wohnsitzen der arabischen Eliten; siehe Situationsplan von
Bagamoyo, in: Die katholischen Missionen (1881), S. 47.
46 Walter, Gottes Treue I, S. 140.
47 Noch am 5.
Januar 1889 besuchten die DOAG Vertreter von Bülow und Klenze sowie
der Pflanzer Roos die Station; Amrhein, Brandopfer, Sp. 484.
48 Vgl. Pesek, Koloniale Herrschaft, S. 183f.
49 Es existieren ebenfalls Berichte über opportunistische Sklavenhändler, die die Gele-
genheit nutzten, um konfiszierte Sklaven zurückzuholen; vgl. Glassman, Feasts and
Riot, S. 247.
Glaubenskämpfe
Katholiken und Gewalt im 19. Jahrhundert
- Title
- Glaubenskämpfe
- Subtitle
- Katholiken und Gewalt im 19. Jahrhundert
- Editor
- Eveline Bouwers
- Publisher
- Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co
- Date
- 2019
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-666-10158-8
- Size
- 15.9 x 23.7 cm
- Pages
- 362
- Keywords
- 19. Jahrhundert, katholische Kirche, Gewalt, Legitimation, Glaube, Katholizismus, historische Entwicklung, Säkularisierung, Pluralismus, historische Analyse, Geschichtsschreibung, strukturelle Gewalt, Diskurs
- Categories
- Geschichte Vor 1918