Page - 255 - in Glaubenskämpfe - Katholiken und Gewalt im 19. Jahrhundert
Image of the Page - 255 -
Text of the Page - 255 -
255Missionare
als Opfer muslimischer Gewalt?
gefangen genommen, drei Europäer später gegen Lösegeld freigelassen.
Über den Verbleib der afrikanischen Mädchen wurde nicht weiter berich-
tet. Getötet wurden auch die verbliebenen Kinder der Station, so wenigstens
die Missionsberichte. Die meisten ehemaligen Sklaven aber waren am 10.
und 11. Januar 1889 von der Station geflohen, als klar wurde, dass Abushiris
Truppen Daressalam angreifen würden. Die publizierten Augenzeugenbe-
richte der Missionare lassen vor allem die physischen Gewaltakte und die auf
materielle Beute ausgerichteten Plünderungen deutlich werden. Sie betrafen
in gleicher Weise profane wie sakrale Gegenstände, ohne dass die Missionare
religiöse Motive der Krieger bemerkt hätten50.
Ungewöhnlich waren das große Aufgebot an Kriegern, die starke Bewaff-
nung und die Wucht des Überfalls. Den Gefangenen gegenüber gab ein Offi-
zier Abushiris an:
Hätten wir gewußt, daß ihr Padri (Missionäre) seid, so hätten wir Euch nichts gethan.
Man sagte uns, Ihr seid Deutsche und seid in Verbindung mit Leue […] und habt viel
Pulver und Gewehre und werdet Euch wehren; auch habt Ihr viele der uns geraub-
ten Sklaven; daher haben wir unsererseits eine so große Mannschaft aufgeboten und
haben auf Euch geschossen51!
Amrhein nutzte diese Meldung, um das Ereignis umzudeuten. Die Angreifer
seien nicht aus der Gegend gewesen, hätten die Benediktiner nicht gekannt,
nicht einmal gewusst, dass es sich um Missionare handelte52. Ein anderer
Offizier Abushiris zog den missionarischen Charakter Pugus in Zweifel:
»Wenn ihr aber Padri seid, warum habt ihr Schießscharten und derglei-
chen angelegt, um euch mit Waffen zu vertheidigen?«53. Selemani bin Seif,
der Befehlshaber der Abushiri-Truppen um Daressalam, fragte, warum sie
sich nicht an ihn gewandt und per Brief ihre friedlichen Absichten und ihre
Neutralität dargelegt hätten, wie die Missionare in Bagamoyo54. Letztendlich
führten die guten Beziehungen des dortigen Missionsleiters Pater Etienne
Baur zu Abushiri zur Freilassung der gefangenen Benediktiner und Bene-
diktinerinnen gegen ein Lösegeld von 9 000 Reichsmark und im Austausch
50 Amrhein, Brandopfer, Sp. 439–450, 555–565.
51 Ebd., Sp. 556.
52 Ebd. Napachihi hält es für unwahrscheinlich, dass die Angreifer nicht wussten,
wen sie vor sich hatten, vgl. Napachihi, Relationship, S. 145f. Der DOAG-Offizier
Schmidt hielt die Dorfbewohner um die Station für unbeteiligt, betrachtete aber
das Oberhaupt des Nachbarorts Ukonga als Informanten der Angreifer; Rochus
Schmidt, Brief an die bayerische katholische Missionsgesellschaft, 5. Juni 1889,
ArchOtt Z.1.06.
53 Amrhein, Brandopfer, Sp. 567.
54 Ebd., Sp. 570.
Glaubenskämpfe
Katholiken und Gewalt im 19. Jahrhundert
- Title
- Glaubenskämpfe
- Subtitle
- Katholiken und Gewalt im 19. Jahrhundert
- Editor
- Eveline Bouwers
- Publisher
- Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co
- Date
- 2019
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-666-10158-8
- Size
- 15.9 x 23.7 cm
- Pages
- 362
- Keywords
- 19. Jahrhundert, katholische Kirche, Gewalt, Legitimation, Glaube, Katholizismus, historische Entwicklung, Säkularisierung, Pluralismus, historische Analyse, Geschichtsschreibung, strukturelle Gewalt, Diskurs
- Categories
- Geschichte Vor 1918