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319Katholiken
und Gewalt in Großbritannien
einer Ausweitung des gesetzlichen Rahmens zu erwarten gewesen wäre,
handelte Kardinal Bourne mit dem Kriegsministerium eine informelle Ver-
einbarung aus, wonach auch Diakone und Subdiakone von der Wehrpflicht
ausgenommen wurden30.
Das Pontifikat trug seinen Teil dazu bei, Zweifel an Treue und Einsatz
der Katholiken zu nähren. So hoch es die Nachwelt ihm auch anrechnen
mochte, brachten die Neutralität Papst Benedikts und seine Bemühungen
um einen Verhandlungsfrieden patriotische britische Katholiken, die sich
sonst rühmten, »römischer als die Römer« zu sein, in Verlegenheit31. Zwar
straften katholische Presse und Hierarchie die »Guild of the Pope’ s Peace«
gleichermaßen mit Missachtung32, doch ließen sich die exponierten Demar-
chen des Papstes nicht so mühelos übergehen. Im August 1917, nachdem
Kardinal Bourne vergeblich versucht hatte, den Papst von seinem Kurs abzu-
bringen33, und während Truppen Großbritanniens und des Empire eine neue
Großoffensive in Flandern begannen, löste seine Friedensnote eine aberma-
lige Welle antipäpstlicher Agitation aus. Diese erreichte ihren Höhepunkt im
Herbst, als die katastrophale italienische Niederlage bei Caporetto als Offen-
barungseid der vatikanischen Politik gedeutet wurde, die Moral der Alli-
ierten zu untergraben. Der in der Toskana lebende Brite Richard Bagot, ein
Beobachter der italienischen Kriegsanstrengungen, schrieb in Berichten für
die Times, den Globe und die Morning Post, die Katastrophe sei den Machen-
schaften der »schwarzen Partei Italiens« geschuldet. Die »törichten römisch-
italienischen Offiziere« hätten sich einreden lassen, »es sei falsch, gegen die
besten Freunde des Papstes [d.h. die Österreicher] zu kämpfen, die Briten
ließen die Italiener bloß ihre Drecksarbeit machen, und es sei ihre Pflicht,
nicht weiterzukämpfen«34. Andere Briten vor Ort teilten diese Einschätzung,
von einem Stabschef der Heilsarmee bis hin zum Kriegskorrespondenten
des Daily Telegraph35. Auch prominente Stimmen erhoben sich gegen den
Papst. In seinem 1917 verfassten Gedicht The Holy War verurteilte Rudyard
Kipling den »Papst [und] die schwankenden Neutralen« in Tönen, die sich
der apokalyptischen und antipäpstlichen Rhetorik des protestantischen Hel-
dendichters John Bunyan anschlossen. Ein weiterer profilierter Kritiker war
30 Vgl. Judith Champ, A Seminary Goes to War. St. Mary’ s College, Oscott and the First
World War, Sutton Coldfield 2015, S. 58.
31 Vgl. Robbins, Britain, S. 144.
32 Vgl. Taouk, Guild, S. 255; Edward I. Watkin, Roman Catholicism in England from
the Reformation to 1950, London 1958, S. 221.
33 Vgl. John Pollard, The Unknown Pope. Benedict XV (1914–1922) and the Pursuit
of Peace, London 1999, S. 123.
34 Porcelli, The Pope, S. 24.
35 Vgl. ebd.
Glaubenskämpfe
Katholiken und Gewalt im 19. Jahrhundert
- Title
- Glaubenskämpfe
- Subtitle
- Katholiken und Gewalt im 19. Jahrhundert
- Editor
- Eveline Bouwers
- Publisher
- Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co
- Date
- 2019
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-666-10158-8
- Size
- 15.9 x 23.7 cm
- Pages
- 362
- Keywords
- 19. Jahrhundert, katholische Kirche, Gewalt, Legitimation, Glaube, Katholizismus, historische Entwicklung, Säkularisierung, Pluralismus, historische Analyse, Geschichtsschreibung, strukturelle Gewalt, Diskurs
- Categories
- Geschichte Vor 1918