Page - 325 - in Glaubenskämpfe - Katholiken und Gewalt im 19. Jahrhundert
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325Katholiken
und Gewalt in Großbritannien
mehr als 50 deutsche Flugzeuge abgeschossen und »alle Orden, welche die
Obrigkeiten nur verleihen konnten« erhalten hatte, unterstrich The Tablet,
dass McCudden Katholik und Sohn eines Soldaten gewesen sei57.
Glaube an der Front
Ungeachtet der Prominenz des Themas in der katholischen Rekrutierungs-
propaganda scheinen katholische Soldaten nicht vom Geist eines neuen
Kreuzzugs getragen gewesen zu sein. So viel in katholischen Kreisen auch
die Rede war von den heiligen Stätten »zu deren Schutze unsere Ahnen so
zahlreich starben« und vom Schicksal der Christen im Osmanischen Reich58,
so scheint die Vorstellung eines Kreuzzugs gegen teutonische Barbaren oder
ungläubige Türken unter den aktiven Soldaten kaum eine Rolle gespielt zu
haben. Dies wird zum Teil daran gelegen haben, dass der Kreuzzugsdiskurs
in der britischen Gesellschaft einen rhetorischen Allgemeinplatz darstellte,
den anglikanische Geistliche wie der Bischof von London ebenso häufig
im Munde führten wie David Lloyd George, der erste nonkonformistische
Premierminister59. Bei allen militaristischen Zügen des spätviktorianischen
Christentums und kriegerischen Traditionen des britischen Katholizismus
mangelte es diesem in seiner Kirchenmusik und Frömmigkeit doch am Mili-
tarismus des zeitgenössischen britischen Protestantismus, ganz zu schwei-
gen von der Militanz verschiedener Strömungen des Katholizismus auf dem
Kontinent. Während Kirchenlieder wie Soldiers of Christ, Arise von Charles
Wesley, Fight the Good Fight von J. S. B. Monsell oder Onward Christian Sol-
diers von Sabine Baring Gould zum protestantischen Standardrepertoire
gehörten, musste The Harvest im Herbst 1914 eingestehen, dass sie im Katho-
lizismus ihresgleichen suchten: »Es ist doch bemerkenswert, dass wir unter
unseren vielen Liedern keines hatten, das ausdrücklich für Kriegszeiten, für
das Wohlergehen unserer Soldaten und Seeleute, die täglich sich in Lebens-
gefahr befinden, oder zur Bitte um Frieden vorgesehen war«60. Auch änderte
sich in dieser Hinsicht nichts, denn noch 1917 befanden sich unter den sie-
ben wichtigen Gesängen, die Casgrain in sein Catholic Soldiers’ and Sailors’
Prayer-Book aufnahm, so vertraute wie wenig martialische Titel wie Faith of
57 The Tablet, 27. Juli 1918, S. 23.
58 The Harvest, Juli 1915, S. 173–175.
59 Vgl. Elizabeth Siberry, Images of the Crusades in the Nineteenth and Twentieth
Centuries, in: Jonathan Riley-Smith (Hg.), The Oxford Illustrated History of the
Crusades, Oxford 1995, S. 365–385, hier S. 381f.
60 The Harvest, November 1914, S. 263.
Glaubenskämpfe
Katholiken und Gewalt im 19. Jahrhundert
- Title
- Glaubenskämpfe
- Subtitle
- Katholiken und Gewalt im 19. Jahrhundert
- Editor
- Eveline Bouwers
- Publisher
- Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co
- Date
- 2019
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-666-10158-8
- Size
- 15.9 x 23.7 cm
- Pages
- 362
- Keywords
- 19. Jahrhundert, katholische Kirche, Gewalt, Legitimation, Glaube, Katholizismus, historische Entwicklung, Säkularisierung, Pluralismus, historische Analyse, Geschichtsschreibung, strukturelle Gewalt, Diskurs
- Categories
- Geschichte Vor 1918