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Verkehrte Leidenschaft - Gleichgeschlechtliche Unzucht im Kontext von Strafrecht und Medizin
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16 I. Einleitung Elisabeth Greif • Verkehrte Leidenschaft¶ diskurs zwingt den Aussagen über sexuelles Verhalten außerdem einen spezifisch juridischen Sprachgebrauch auf und beschränkt damit von vornherein, wonach gefragt und wie geantwortet werden kann, was als Beweis zugelassen und was Teil einer Urteilsbegründung wird.49 Unmit- telbarere Texte finden sich, wenn die Akten selbst verfasste Lebensdar- stellungen 50 oder Briefe aus der Zeit vor der Einleitung des Verfahrens enthalten. Derartige Dokumente gibt es jedoch nur selten, da auch den Akteurinnen und Akteuren bewusst war, dass sie Anlass zu Verdächtigun- gen geben konnten. Als sich mit der Etablierung des autoritären Doll- fuß-Schuschnigg-Regimes 1933 / 34 die soziale und behördliche Kontrolle weiter verstärkte, konnte bereits ein allzu umfangreicher Briefwechsel das Interesse der Behörden auf sich ziehen. So leitete die Bundes-Poli- zeidirektion Linz im Jahr 1935 Ermittlungen gegen den Hilfsarbeiter Fer- dinand P. ein, da » derselbe mit einem Johann M., Kellner, Greifenburg wohnhaft, in regem Briefwechsel stehe und daher der Verdacht besteht, dass sich P. für eine verbotene Partei illegal betätige. « 51 Die Untersuchung förderte zwar keine verbotene politische Betätigung zutage, stieß jedoch auf eine zirka zwanzig Personen umfassende Gruppe von Männern, die in Linz, Wels, Wien und Kärnten miteinander gleichgeschlechtliche se- xuelle Handlungen verübten und sich darüber und zur Vermittlung wei- terer Kontakte brieflich austauschten. Dem Akt beigeschlossen ist auch ein in stenographischer Schrift gehaltenes Tagebuch des pensionierten Oberlehrers Leopold B., das » ausschließlich Aufzeichnungen seiner un- züchtigen Handlungen [ beinhaltet ] die bis zum Jahre 1926 zurückrei- chen. « 52 Der Wahrheitsgehalt dieser Notizen wurde zum Gegenstand der Diskussion. Leopold B. beteuerte, dass es sich bei den Tagebuchaufzeich- nungen um reine Erfindungen handle: » Da ich für erotische Akte bereits zu alt war, begnügte ich mich mit persönlichen Bekanntschaften und Gesprächen, manchmal auch mit Besichtigung und malte mir darnach [ sic ! ] erotische Szenen zu Hause für mich allein auf dem Papier aus. « 53 49 Vgl Robertson Stephen, Journal of History of Sexuality 2005, 162. 50 Soweit lebensgeschichtliche Darstellungen erst im Rahmen eines Strafprozesses angefertigt wurden, sollten allerdings auch sie einem bestimmten Zweck – wie etwa der Rechtfertigung des Geschehenen – dienen. 51 OÖLA, BG / LG Linz Sch 462, 6 Vr 1954 / 35, Meldung vom 6. September 1935. 52 OÖLA, BG / LG Linz Schl 462, 6 Vr 1954 / 35, Nachtragsanzeige vom 25. Oktober 1935. 53 OÖLA, BG / LG Linz Sch 462, 6 Vr 1954 / 35, Brief von Leopold B. an das Bezirksgericht Gmunden vom 29. Oktober 1935.
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Verkehrte Leidenschaft Gleichgeschlechtliche Unzucht im Kontext von Strafrecht und Medizin
Aus- und Verhandlungsprozesse vor dem Landesgericht Linz 1918 – 1938
Title
Verkehrte Leidenschaft
Subtitle
Gleichgeschlechtliche Unzucht im Kontext von Strafrecht und Medizin
Author
Elisabeth Greif
Publisher
Jan Sramek Verlag
Location
Wien
Date
2019
Language
German
License
CC BY 4.0
ISBN
978-3-7097-0205-5
Size
15.0 x 23.0 cm
Pages
478
Category
Recht und Politik
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