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Das Strafgesetz 1803
Elisabeth Greif • Verkehrte Leidenschaft ¶
stehende Arten der Unzucht bestrafet: I. Unzucht gegen die Natur. « 142 Die
Strafe wurde in § 114 StG 1803 mit Kerker zwischen sechs Monaten und
einem Jahr bemessen, der Versuch war strafbar ( § 7 StG 1803 ). Wurde eine
zur Erziehung oder Aufsicht anvertraute Person zur Unzucht verleitet, be-
trug die Strafe schweren Kerker von einem Jahr bis zu fünf Jahren ( § 115
III StG 1803 ). Kerkerstrafe bedeutete enge Verwahrung ohne Eisen. Eine
Zusammenkunft mit anderen Personen durfte nur in Gegenwart eines
Gefangenenwärters stattfinden ( § 12 StG 1803 ). Die zu schwerer Kerker-
strafe Verurteilten waren mit Eisen an den Füßen anzuhalten, erhielten
täglich eine warme Speise ohne Fleisch und mussten auf bloßen Bret-
tern schlafen. Gespräche waren ihnen lediglich mit Personen gestattet,
die auf ihre Verwahrung Bezug hatten ( § 13 StG 1803 ). Darüber hinaus
war mit jeder Kerkerstrafe die Anhaltung zur Arbeit verbunden. § 17 StG
1803 erlaubte eine Verschärfung der Kerkerstrafe durch Anhaltung zur öf-
fentlichen Arbeit,143 Ausstellung auf der Schandbühne,144 Züchtigung mit
Stock- oder Rutenstreichen,145 Fasten 146 und Landesverweisung 147 nach
Strafende.148 § 23 StG 1803 sah außerdem bei der Verurteilung zur Todes-
142 Zeiller vermerkte, dass die Einreihung der widernatürlichen Unzucht unter die
schweren Polizeiübertretungen mit Blick auf den » hohe[ n ] Grad der Verworfen-
heit «, den das Delikt nach sich ziehe, unterblieben und die Unzucht wider die Na-
tur in die » Classe der Verbrechen « aufgenommen worden war, vgl Zeiller Franz von,
Vorbereitung zur neuesten Oesterreichischen Gesetzeskunde im Straf- und Civil-
Justiz-Fache in vier jährlichen Beyträgen von 1806–1809 I ( 1810 ) 151.
143 Diese war gem § 18 StG 1803 auf männliche Personen, die zu einer schweren oder
der schwersten Kerkerstrafe verurteilt worden waren, beschränkt.
144 Diese Strafverschärfung kam gem § 19 StG 1803 nur in Betracht, wenn sie entweder
gesetzlich ausdrücklich vorgesehen war oder eine Verurteilung zu einer mindes-
tens zehnjährigen Kerkerstrafe erfolgte.
145 Erwachsene Männer wurden mit Stockstreichen, männliche Jugendliche unter 18
Jahren und Frauen mit Rutenstreichen gezüchtigt. Der Vollzug hatte innerhalb der
Strafanstalt zu erfolgen, war auf 50 Streiche beschränkt und konnte während der
Strafzeit mehrmals stattfinden ( § 20 StG 1803 ). Modifiziert durch Hofdekret vom 19.
Juli 1811, JGS 951; Hofdekret vom 24. April 1812, JGS 986; Hofdekret vom 28. August
1812, JGS 1003.
146 Bei einer Strafverschärfung durch Fasten erhielten die Verurteilten nur Wasser
und Brot, wöchentlich durfte dies höchstens drei Mal und nicht an aneinander-
folgenden Tagen stattfinden ( § 21 StG 1803 ).
147 Gem § 22 StG 1803 konnte die Landesverweisung nur gegen ausländische Verur-
teilte stattfinden und musste sich auf sämtliche Länder, in denen das StG 1803 in
Geltung stand, beziehen. Bei besonderer Gefährlichkeit war außerdem die Brand-
markung vorgesehen.
148 Die Ausstellung auf der Schandbühne, die körperliche Züchtigung, die Brandmar-
kung sowie die öffentliche Ausstellung im Kreise wurden mit allerhöchster Ent-
schließung vom 22. Mai 1848 abgeschafft, siehe dazu unten.
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Verkehrte Leidenschaft
Gleichgeschlechtliche Unzucht im Kontext von Strafrecht und Medizin
Aus- und Verhandlungsprozesse vor dem Landesgericht Linz 1918 – 1938
- Title
- Verkehrte Leidenschaft
- Subtitle
- Gleichgeschlechtliche Unzucht im Kontext von Strafrecht und Medizin
- Author
- Elisabeth Greif
- Publisher
- Jan Sramek Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2019
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-7097-0205-5
- Size
- 15.0 x 23.0 cm
- Pages
- 478
- Category
- Recht und Politik