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44 II. Vom Trieb zur Lust
Elisabeth Greif • Verkehrte
Leidenschaft¶
Beteiligten, nicht aber der Persönlichkeit der Täter und Täterinnen.158
Als erste Hinweise auf die Päderastie, verstanden als » Unzucht zwischen
zwei Individuen männlichen Geschlechts «, wobei der » After die Stelle
der weiblichen Scheide vertritt « 159, nannte der Arzt und Professor für
gerichtliche Medizin Ignaz Heinrich Schürmayer für den passiven Teil,
dass der » After nicht so fest verschlossen [ sei ], wie im gewöhnlichen
Zustande; er ist dabei roth, angeschwollen, schmerzhaft, zuweilen ein-
gerissen und blutig. « 160 Werde die Unzucht durch längere Zeit hindurch
ausgeübt, stelle » die Oeffnung des Mastdarms die Form eines Trichters
dar, was besonders ein characteristisches Merkmal ist « 161. Als Erken-
nungszeichen aktiver Päderasten gab der Arzt Wilhelm Pichler in Anleh-
nung an den französischen Rechtsmediziner Ambroise Tardieu an:
» ein sehr dünner, von der Basis zur Spitze sich verjüngender, wie
beim Hunde spitzig auslaufender Penis, der der Länge nach um
seine Axe gedreht ist ( veranlasst durch die schrauben- oder kork-
zieherartige Bewegung bei der Immission ). Bei voluminösem Pe-
nis soll die Verjüngung nicht das ganze Glied betreffen, sondern
bloss die Glans penis. « 162
Die » Unzucht zwischen 2 Individuen weiblichen Geschlechts « 163 galt den
meisten Autoren als nicht nachweisbar. Ignaz Mair, » practischer Arzt
und Wundarzt «, meinte » [ d ]er gerichtliche Arzt würde im etwa vorkom-
menden Falle keine Beweismittel in seiner Wissenschaft finden «.164 Der
158 Vgl Klabundt Per, Psychopathia sexualis – die ärztliche Konstruktion der sexuellen
Perversionen zwischen 1869 und 1914, MedGG 1994, 107 ( 117 ).
159 Schürmayer Ignaz Heinrich, Theoretisch-practisches Lehrbuch der gerichtlichen
Medicin. Mit Berücksichtigung der neueren Gesetzgebung des In- und Auslandes
und des Verfahrens bei Schwurgerichten, für Ärzte und Juristen ( 1850 ) 351.
160 Schürmayer Ignaz Heinrich, Lehrbuch 352.
161 Schürmayer Ignaz Heinrich, Lehrbuch 352.
162 Pichler Wilhelm, Die gerichtliche Medizin. Nach dem heutigen Standpunkte der
Medizin und der Gesetzgebung in ihren Umrissen dargestellt ( 1861 ) 29. Auch Pich-
ler verstand unter Päderastie ausschließlich die » immissio penis in anum «.
163 Mair Ignaz, Juristisch-medicinischer Commentar der neuen kgl. Bayerischen, kgl.
Preußischen und kais. kgl. Österreich. Strafgesetzgebung für Staatsanwälte, Rich-
ter, Vertheidiger und Aerzte II ( 1862 ) 65 ( Hervorhebungen im Original ).
164 Mair Ignaz, Commentar 65. Äußerst plastisch hatte dagegen noch Franz Xaver
Güntner die Folgen der gleichgeschlechtlichen Unzucht zwischen Personen des
weiblichen Geschlechts geschildert, zu denen er unter anderem » Bleichsucht, Ne-
vernzufälle, Abmagerung, Verstimmung des Gemüthes, düsteres, theilnahmsloses,
unheimliches Wesen « zählte, vgl Güntner Franz Xaver, Handbuch der gerichtlichen
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Verkehrte Leidenschaft
Gleichgeschlechtliche Unzucht im Kontext von Strafrecht und Medizin
Aus- und Verhandlungsprozesse vor dem Landesgericht Linz 1918 – 1938
- Title
- Verkehrte Leidenschaft
- Subtitle
- Gleichgeschlechtliche Unzucht im Kontext von Strafrecht und Medizin
- Author
- Elisabeth Greif
- Publisher
- Jan Sramek Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2019
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-7097-0205-5
- Size
- 15.0 x 23.0 cm
- Pages
- 478
- Category
- Recht und Politik