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Verkehrte Leidenschaft - Gleichgeschlechtliche Unzucht im Kontext von Strafrecht und Medizin
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68 II. Vom Trieb zur Lust Elisabeth Greif • Verkehrte Leidenschaft¶ und Westphal-Schüler Krafft-Ebing, der seinem in zahlreichen Auflagen erschienenen Hauptwerk den bezeichnenden Titel » Psychopathia sexu- alis « mit dem Zusatz » Mit besonderer Berücksichtigung der conträren Sexualempfindung « gab.270 Wesentlich erschien Krafft-Ebing vor allem die Unterscheidung zwischen naturgemäßer und » perverser « Sexualität: » Als pervers muss – bei gebotener Gelegenheit zu naturgemäs- ser geschlechtlicher Befriedigung – jede Aeusserung des Ge- schlechtstriebes erklärt werden, die nicht den Zwecken der Natur, i.e. der Fortpflanzung entspricht. « 271 Wie Ulrichs ging Krafft-Ebing davon aus, dass es eine sexuelle Anzie- hung nur zwischen ungleichen Geschlechterpolen geben könne, se- xuelles Begehren zwischen gleichgeschlechtlichen Personen bedeute eine » konträre Sexualempfindung «. Die Verknüpfung von Geschlecht und Sexualität war zum damaligen Zeitpunkt für die Theoriebildung zur gleichgeschlechtlichen Sexualität grundlegend geworden. Eingepasst in eine dichotome Geschlechterordnung erschien gleichgeschlechtli- ches Empfinden nur denkmöglich, wenn damit auch eine Verkehrung von Männlichkeit und Weiblichkeit einherging.272 Hinsichtlich der Ge- nese dieser konträren Sexualempfindung unterschied Krafft-Ebing zwi- schen einer angeboren-krankhaften und einer erworbenen Variante: » Die angeborene conträre Sexualempfindung kommt nur bei krankhaft veranlagten ( belastete ) Individuen vor, als Theiler- scheinung einer durch anatomische oder funktionelle oder durch beiderlei Abnormitäten gekennzeichneten Belastung. « 273 Diese Unterscheidung markierte auch eine Verschiebung von der Tat- handlung hin zur Frage der Verantwortlichkeit für die Tat: Die Gerichts- ärzte hätten sich vor allem mit der Frage der Zurechnungsfähigkeit der » Urninge « auseinanderzusetzen, die Krafft-Ebing jedoch in den meisten Fällen für gegeben erachtete. Allerdings war er der Auffassung, dass ein Großteil der Urninge, anders als » normal constituierte Menschen «, 270 Krafft-Ebing gebrauchte ursprünglich den Westphalschen Begriff der conträren Se- xualempfindung, später benützte er den von Benkert geprägten Begriff Homosexu- alität. 271 Krafft Ebing Richard von, Psychopathia 12 64. 272 Vgl Hutter Jörg in Lautmann Rüdiger ( hg ), Homosexualität 40. 273 Krafft-Ebing Richard von, Psychopathia 12 406.
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Verkehrte Leidenschaft Gleichgeschlechtliche Unzucht im Kontext von Strafrecht und Medizin
Aus- und Verhandlungsprozesse vor dem Landesgericht Linz 1918 – 1938
Title
Verkehrte Leidenschaft
Subtitle
Gleichgeschlechtliche Unzucht im Kontext von Strafrecht und Medizin
Author
Elisabeth Greif
Publisher
Jan Sramek Verlag
Location
Wien
Date
2019
Language
German
License
CC BY 4.0
ISBN
978-3-7097-0205-5
Size
15.0 x 23.0 cm
Pages
478
Category
Recht und Politik
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