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Verkehrte Leidenschaft - Gleichgeschlechtliche Unzucht im Kontext von Strafrecht und Medizin
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101 Zur strafrechtlichen Verantwortlichkeit Elisabeth Greif • Verkehrte Leidenschaft ¶ D. » Den Verstand nur in gewissen Beziehungen abschwächende Veranlagung « – Zur strafrechtlichen Verantwortlichkeit für gleichgeschlechtliche Unzucht Sexualwissenschaftliche Schriften über die Konträrsexualität stellten ab Mitte des 19. Jahrhunderts vermehrt einen Zusammenhang zwischen abweichendem Sexualverhalten und geistiger Erkrankung her. Damit gaben sie den Anstoß, sich anlässlich von Gerichtsverfahren wegen gleichgeschlechtlicher Unzucht mit der Frage nach der Zurechnungs- fähigkeit der Beschuldigten auseinanderzusetzen. Moll unterschied im Anschluss an Krafft-Ebing zwischen Perversion als Trieb, » der vom Wil- len unabhängig ist, und für den niemand verantwortlich gemacht wer- den kann « und Perversität, » die sich in der Handlung zeigt, oft dem Handelnden zugerechnet werden muss. « 396 Die freie Willensbestim- mung sei bei » sexuell perversen Akten « häufig herabgesetzt, gänzlich beseitigt sei sie jedoch nur in den allerseltensten Fällen. Auch die meis- ten anderen Autoren vertraten die Ansicht, dass selbst bei » angebore- ner « konträrer Sexualempfindung die Schuld nicht in jedem Fall aus- geschlossen sei. Das Vorliegen der Unzurechnungsfähigkeit müsse im Einzelfall durch das Gutachten eines Sachverständigen erwiesen wer- den. Vor allem Krafft-Ebing befürwortete eine Untersuchung des Geis- teszustandes der Beschuldigten in Fällen widernatürlicher Unzucht: » Jedenfalls muss die gegenwärtige wissenschaftliche Erkenntniss [ sic ! ] solcher Geschlechtsverirrungen bei der Häufigkeit ihrer patho- logischen Begründung eine forensische Expertise im gegebenen Fall fordern. « 397 Strittig war, ob für die Annahme von Zurechnungsunfähigkeit schon der bloße Nachweis » angeborener Verkehrung der Geschlechtsempfin- dung « 398 ausreiche. § 2 lit a und b StG 1852 setzten nämlich eine gänz- liche Beraubung des Vernunftgebrauchs voraus, die entweder dauernd ( lit a ) oder vorübergehend ( lit b ) bestand. Der Unterschied zwischen den beiden Schuldausschließungsgründen lag mithin in der Zeitdauer der Vernunftbeeinträchtigung, nicht dagegen in ihrer Intensität.399 Die 396 Moll Albert, Sexualempfindung 3 31. 397 Vgl Krafft-Ebing Richard von, Lehrbuch der Gerichtlichen Psychopathologie mit Be- rücksichtigung der Gesetzgebung von Österreich, Deutschland und Frankreich 2 ( 1881 ) 235 Fn 1. 398 Krafft-Ebing Richard von, Lehrbuch 2 235. 399 Siehe auch KH 2840.
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Verkehrte Leidenschaft Gleichgeschlechtliche Unzucht im Kontext von Strafrecht und Medizin
Aus- und Verhandlungsprozesse vor dem Landesgericht Linz 1918 – 1938
Title
Verkehrte Leidenschaft
Subtitle
Gleichgeschlechtliche Unzucht im Kontext von Strafrecht und Medizin
Author
Elisabeth Greif
Publisher
Jan Sramek Verlag
Location
Wien
Date
2019
Language
German
License
CC BY 4.0
ISBN
978-3-7097-0205-5
Size
15.0 x 23.0 cm
Pages
478
Category
Recht und Politik
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