Web-Books
in the Austria-Forum
Austria-Forum
Web-Books
Recht und Politik
Verkehrte Leidenschaft - Gleichgeschlechtliche Unzucht im Kontext von Strafrecht und Medizin
Page - 108 -
  • User
  • Version
    • full version
    • text only version
  • Language
    • Deutsch - German
    • English

Page - 108 - in Verkehrte Leidenschaft - Gleichgeschlechtliche Unzucht im Kontext von Strafrecht und Medizin

Image of the Page - 108 -

Image of the Page - 108 - in Verkehrte Leidenschaft - Gleichgeschlechtliche Unzucht im Kontext von Strafrecht und Medizin

Text of the Page - 108 -

108 III. Das Recht zu sündigen Elisabeth Greif • Verkehrte Leidenschaft¶ könne nur dann strafausschließend wirken, wenn sie Folge eines psy- chopathischen Zustandes sei. Darüber hinaus gewähre die Perversion des Geschlechtstriebes kein Privileg zu dessen » ungezügelter Befriedi- gung «.430 Ebenso wenig könne der » organische Zwang « als unwidersteh- licher Zwang iSd § 2 lit g StG 1852 interpretiert werden, er beeinflusse lediglich die Richtung des Geschlechtstriebes nach einem bestimmten Geschlecht. Allerdings würde das Gesetz jeden verpflichten, den Ge- schlechtstrieb nur innerhalb gewisser Grenzen zu befriedigen.431 Die Beurteilung, ob die Tat durch unwiderstehlichen Zwang verursacht wor- den war, fiel in die ausschließliche Kompetenz des Gerichtes.432 Weder die Frage nach der » richtigen « Auffassung vom Wesen der konträren Sexualempfindung noch die nach der Vormachtstellung zwi- schen Richtern und Psychiatern war damit abschließend und für beide Disziplinen in zufrieden stellender Weise beantwortet. Die Zuständig- keit der Medizin zur Begutachtung des Geisteszustandes von Beschul- digten war zwar in der Strafprozessordnung verankert, die Beiziehung medizinischer Sachverständiger im Einzelfall oblag jedoch der Ent- scheidung des Richters. Solange dem Gericht nicht durch eigene Wahr- nehmung Zweifel an der geistigen Gesundheit des oder der Angeklagten kamen, war es nicht verpflichtet, eine psychiatrische Begutachtung zu veranlassen.433 Der Richter nahm somit gegenüber dem medizinischen Sachverständigen eine stärkere Position ein. Er entschied nicht nur, ob der Geisteszustand eines oder einer Beschuldigten überhaupt auf das Vorliegen von Schuldausschließungs- oder Strafmilderungsgründen hin untersucht werden sollte, sondern entsprechend dem Grundsatz der freien Beweiswürdigung in § 258 StPO 1873 auch, ob eine etwaige, gutachterlich festgestellte Geisteskrankheit die Zurechnungsfähigkeit ausschloss. Schon der Münchner Strafrechtsprofessor Emanuel Ullmann hatte die Auffassung vertreten, dass sich die Ärzte lediglich darüber zu äußern hätten, ob der Geisteszustand des oder der Beschuldigten zum Tatzeitpunkt getrübt gewesen sei. Der Richter habe dagegen » die Ergebnisse der gemachten Beobachtungen und die gutacht- liche Aeußerung der Sachverständigen frei zu beurtheilen und schöpft derselbe gerade bezüglich der Feststellung der Zurech- 430 Vgl KH 2569. 431 Vgl KH 3066; desgleichen KH 3474, 3788, 4525. 432 KH 2569, 4525. 433 Vgl KH 3744.
back to the  book Verkehrte Leidenschaft - Gleichgeschlechtliche Unzucht im Kontext von Strafrecht und Medizin"
Verkehrte Leidenschaft Gleichgeschlechtliche Unzucht im Kontext von Strafrecht und Medizin
Aus- und Verhandlungsprozesse vor dem Landesgericht Linz 1918 – 1938
Title
Verkehrte Leidenschaft
Subtitle
Gleichgeschlechtliche Unzucht im Kontext von Strafrecht und Medizin
Author
Elisabeth Greif
Publisher
Jan Sramek Verlag
Location
Wien
Date
2019
Language
German
License
CC BY 4.0
ISBN
978-3-7097-0205-5
Size
15.0 x 23.0 cm
Pages
478
Category
Recht und Politik
Web-Books
Library
Privacy
Imprint
Austria-Forum
Austria-Forum
Web-Books
Verkehrte Leidenschaft