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128 IV. Wunsch nach einem neuen Strafrecht
Elisabeth Greif • Verkehrte
Leidenschaft¶
sexueller Handlungen auf. Bis zur so genannten » Großen Strafrechtsre-
form « 1974 499 blieb für das österreichische Strafrecht der materiell-rechtli-
che Teil des Strafgesetzes 1803 bestimmend, auf dem das Strafgesetz 1852
im Wesentlichen beruhte.500 Während der Dauer seiner Geltung wurde
das Strafgesetz 1852 durch zahlreiche Novellen und strafrechtliche Son-
dergesetze ergänzt,501 der Wunsch nach einer umfassenden Reform des
österreichischen Strafrechts war jedoch schon bald nach Inkrafttreten
des Strafgesetzes 1852 zu Tage getreten und resultierte in einer Reihe von
GesetzesentwĂĽrfen. Die politische Situation der Monarchie, die sich in
wiederholten Auflösungen des Reichsrates äußerte, verhinderte jedoch
die Umsetzung der Reformvorhaben. Die bereits vor dem Ersten Welt-
krieg angedachte und während der Zwischenkriegszeit von beiden Seiten
vorangetriebene Rechtsangleichung zwischen Ă–sterreich und Deutsch-
land auf dem Gebiet des Strafrechts fand ihr Ende durch die » Machtüber-
nahme « der Nationalsozialisten in Deutschland. Mit Beginn der austrofa-
schistischen Ära kam auch in Österreich die Strafrechtsreformbewegung
zum Erliegen. Erst durch das Strafgesetzbuch 1975 konnte eine Gesam-
treform des österreichischen Strafrechts umgesetzt werden.
B. Die österreichische Reformdiskussion vom
Inkrafttreten des Strafgesetzes 1852 bis zum
Ersten Weltkrieg
1. Fortsetzung der österreichischen Rechtstradition –
Vom Entwurf Hye zum Ausschussentwurf 1870
Bereits am 16. Februar 1861, nicht einmal ein Jahrzehnt nach dem In-
krafttreten des Strafgesetzes 1852, wurde Hye, Sektionschef im Justiz-
ministerium und späterer Justizminister, mit der Ausarbeitung eines
neuen Strafgesetzes betraut. Im März 1863 legte Hye ein » Abänderungs-
statut zu dem allgemeinen Strafgesetze vom 27. Juni 1852 « vor; im Mai
desselben Jahres folgte der » Entwurf eines vollständig neuen Straf-
499 Bundesgesetz vom 23. Jänner 1974 über die mit gerichtlicher Strafe bedrohten
Handlungen ( Strafgesetzbuch – StGB ), BGBl 1974 / 60.
500 Eingehend dazu Kapitel II.
501 Einen Ăśberblick ĂĽber die wichtigsten Novellen und Sondergesetze bis zum Jahr
1904 gibt Hoegel Hugo, Geschichte 100 ff.
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Verkehrte Leidenschaft
Gleichgeschlechtliche Unzucht im Kontext von Strafrecht und Medizin
Aus- und Verhandlungsprozesse vor dem Landesgericht Linz 1918 – 1938
- Title
- Verkehrte Leidenschaft
- Subtitle
- Gleichgeschlechtliche Unzucht im Kontext von Strafrecht und Medizin
- Author
- Elisabeth Greif
- Publisher
- Jan Sramek Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2019
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-7097-0205-5
- Size
- 15.0 x 23.0 cm
- Pages
- 478
- Category
- Recht und Politik