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Zusammenfassung
Elisabeth Greif • Verkehrte Leidenschaft ¶
chischen Strafrechtsangleichung jedoch gescheitert. Der Widerstand
gegen eine » liberale « Strafrechtsreform mehrte sich zusehends, die
» Machtübernahme « der Nationalsozialisten in Deutschland bedeutete
schlieĂźlich das Ende der gemeinsamen ReformbemĂĽhungen.790 Nach-
dem die Regierung unter Engelbert Dollfuß im März 1933 den Nationalrat
am Zusammentreten gehindert und damit die Ära des austrofaschisti-
schen Ständestaates eingeleitet hatte, kam es in Österreich auch zu kei-
ner eigenständigen Wiederaufnahme der Strafrechtsreform.791
D. Zusammenfassung
Obwohl die Versuche einer Reform des österreichischen Strafrechts fast
unmittelbar nach Inkrafttreten des Strafgesetzes 1852 einsetzten, blie-
ben sie bis in die 70 er Jahre der Zweiten Republik erfolglos. Die erste Re-
gierungsvorlage aus dem Jahr 1867 hatte den Hyeschen Entwurf 1863 im
Sinne einer liberalen Erneuerung des Strafrechts umgearbeitet und im
Zuge dessen die Strafbarkeit der einvernehmlichen gleichgeschlecht-
lichen Unzucht unter Erwachsenen aus dem Deliktskatalog beseitigt.
Nur sieben Jahre später kehrte der Entwurf Glaser wieder zu einer Straf-
barkeit der Unzucht wider die Natur zwischen Personen desselben Ge-
schlechts zurĂĽck. Getragen von dem Wunsch einer Anlehnung an die
deutsche Rechtslage, die durch eine Adaption des deutschen Reichs-
strafgesetzbuchs 1871 für die österreichischen Verhältnisse erreicht wer-
den sollte, schränkte der Glasersche Entwurf die Strafbarkeit allerdings
auf die mann-männliche Unzucht ein. Eine schwache Liberalisierungs-
tendenz kann allenfalls in der Einstufung der gleichgeschlechtlichen
Unzucht zwischen Männern als ein mit Gefängnis bedrohtes Vergehen
und in der Senkung der Strafuntergrenze auf einen Tag erblickt werden.
I.K.I, Kt 1076, Sig. 12153 / 1930. FĂĽr die ZurverfĂĽgungstellung einer Kopie danke
ich Mag. Andreas Brunner, QWien, Zentrum fĂĽr schwul / lesbische Kultur und Ge-
schichte.
790 Vgl Brauneder Wilhelm ( hg ), Rechtsbeziehungen 221.
791 Nach Ausschaltung des Nationalrates erfolgte die Gesetzgebung im austrofaschis-
tischen Ständestaat durch die Regierung. Auf dem Gebiet des Strafrechtes wurden
folgende Gesetze erlassen: Bundesgesetz vom 19. Juni 1934 ĂĽber die Wiederein-
fĂĽhrung der Todesstrafe im ordentlichen Verfahren und die Umgestaltung der
Geschworenengerichte ( Strafrechtsänderungsgesetz 1934 ), BGBl 1934 / 77; Bundes-
gesetz, womit die Bestimmungen des Strafgesetzes zum Schutze der Leibesfrucht
abgeändert und ergänzt werden ( Strafgesetznovelle vom Jahr 1937 ), BGBl 1937 / 202.
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Verkehrte Leidenschaft
Gleichgeschlechtliche Unzucht im Kontext von Strafrecht und Medizin
Aus- und Verhandlungsprozesse vor dem Landesgericht Linz 1918 – 1938
- Title
- Verkehrte Leidenschaft
- Subtitle
- Gleichgeschlechtliche Unzucht im Kontext von Strafrecht und Medizin
- Author
- Elisabeth Greif
- Publisher
- Jan Sramek Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2019
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-7097-0205-5
- Size
- 15.0 x 23.0 cm
- Pages
- 478
- Category
- Recht und Politik