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242 VI. VeranlassungsgrĂĽnde der Strafverfahren
Elisabeth Greif • Verkehrte
Leidenschaft¶
ziehen konnte, war keineswegs selbstverständlich.1006 Insbesondere wäh-
rend der ersten Nachkriegsjahre prägte eine große Wohnungsnot die
Stadt Linz, die sich durch das Anwachsen der städtischen Bevölkerung
stetig verschärfte. Von 1910 bis 1923 war die Bevölkerungszahl in Linz
von 97.852 auf 107.463 gestiegen, bis zum Jahr 1934 wuchs sie auf 115.338
Personen an 1007 und blieb dann schließlich annähernd konstant.1008 Vor
allem in den ersten Nachkriegsjahren war der steigende Wohnbedarf der
Bevölkerung in Linz nicht zu decken: Es fehlte an gut 5.000 Wohnungen.
Bei den vorhandenen Wohnmöglichkeiten handelte es sich zum größ-
ten Teil um Zweizimmerwohnungen – bestehend aus einer Wohnküche
und einer Stube.1009 Obwohl der Anteil der bewohnten Häuser im Stadt-
gebiet bis 1934 stetig anstieg, blieben zwei- und dreiräumige Wohnungen
vorherrschend.1010 In den zur VerfĂĽgung stehenden Wohneinheiten leb-
ten im Durchschnitt drei bis vier Personen.1011 Die meisten der neu ge-
schaffenen Kleinwohnungen verfügten über keine eigenen Sanitär- und
Wasseranlagen, diese befanden sich am Gang und wurden von allen Be-
wohnerinnen und Bewohnern eines Hauses gemeinschaftlich genutzt.1012
1006 Vgl auch Nilsson Arne, Journal of Homosexuality 1998, 81.
1007 Vgl STATISTIK Austria, Bevölkerung seit 1869 nach politischen Bezirken, < http: / /
www.statistik.at / web_de / statistiken / bevoelkerung / volkszaehlungen_registerzaehl
ungen / bevoelkerungsstand / index.html > [ 20. 2. 2014 ]. Für das Ansteigen der Bevöl-
kerungszahlen in der Stadt Linz waren in den ersten Nachkriegsjahren insbeson-
dere auch Eingemeindungen – wie jene von Urfahr, Pöstlingberg und St. Peter im
Jahr 1919 – verantwortlich, vgl Straßmayr Eduard, Das Linzer Stadtbild in seiner
geschichtlichen Entwicklung, Heimatgaue 1922, 65 ( 90 ).
1008 Vgl Zöhrer August, Die Bevölkerung von Linz und ihr Wohnraum, Jahrbuch der
Stadt Linz 1936 ( 1937 ) 55.
1009 Vgl Constantini Otto, Jahrbuch der Stadt Linz 1949 ( 1950 ) 73.
1010 Siehe auch die Darstellung bei Scherleitner Josef, Wohnungswesen und Wohnungs-
politik, in Stein Erwin ( hg ), Städte 272. Daneben verzeichnete die Stadt 233 » sons-
tige Wohnstätten «: Dazu zählten beispielsweise Baracken, in denen ab der Welt-
wirtschaftskrise vornehmlich Arbeits- und Obdachlose aufgenommen wurden,
und die etwa im Linzer Bezirk Wegscheid bestanden, vgl Mörth Ingo, Linz Kultur
Regionen. Entwurf einer BroschĂĽre ( 1994 ) 86.
1011 Vgl Zöhrer August, Jahrbuch der Stadt Linz 1936 ( 1937 ) 72. Von 32 032 Wohnungen
im Jahr 1935 in Linz waren 24 161 Kleinwohnungen mit 1,5 Wohneinheiten, die von
durchschnittlich 2,9 Personen bewohnt wurden; 6 741 waren Mittelwohnungen bis
einschlieĂźlich 3,5 Wohneinheiten, die von durchschnittlich 3,6 Personen bewohnt
wurden und 1 130 waren GroĂźwohnungen mit ĂĽber 3,5 Wohneinheiten, die von
durchschnittlich 5,6 Personen bewohnt wurden, vgl Statistische Zentralkommission
( hg ), Statistisches Handbuch fĂĽr den Bundesstaat Ă–sterreich ( 1937 ) 42.
1012 Vgl Kohl Walter, Ăśber das Verschwundene, in Bina Andrea / Potocnik Lorenz ( hg ), Ar-
chitektur in Linz 1900–2011 ( 2012 ) 11 ( 66 ). Dies ermöglichte es etwa den Bewohne-
rinnen und Bewohnern eines im Stadtteil Lustenau gelegenen Hauses, den Ver-
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Verkehrte Leidenschaft
Gleichgeschlechtliche Unzucht im Kontext von Strafrecht und Medizin
Aus- und Verhandlungsprozesse vor dem Landesgericht Linz 1918 – 1938
- Title
- Verkehrte Leidenschaft
- Subtitle
- Gleichgeschlechtliche Unzucht im Kontext von Strafrecht und Medizin
- Author
- Elisabeth Greif
- Publisher
- Jan Sramek Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2019
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-7097-0205-5
- Size
- 15.0 x 23.0 cm
- Pages
- 478
- Category
- Recht und Politik