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246 VI. VeranlassungsgrĂĽnde der Strafverfahren
Elisabeth Greif • Verkehrte
Leidenschaft¶
und habe ihm erzählt, » dass er mit F. geschlechtlich sich unterhielt. « 1028
Der daraufhin befragte K. stellte zunächst jegliche Unzuchtshandlung in
Abrede, gab allerdings selbst an, dass er wisse, » wer von Linzern homose-
xuell veranlagt ist. « 1029 Namen nannte Josef K. hingegen keine.
Weshalb Johann Sch. den Schneider Josef K., der ihm bekannt war
und mit dem ihn auch eine wirtschaftliche Beziehung verband, unzĂĽch-
tiger Handlungen beschuldigte, kann aus dem Strafakt gegen Johann
Sch., Josef K. und den » Hutappreteur « Albert F. nicht geschlossen wer-
den.1030 Dagegen lässt sich das Geständnis früherer Unzuchtshandlun-
gen durch den im März 1930 wegen des Verdachts der Unzucht wider
die Natur als Beschuldigten vernommenen achtzehnjährigen Knecht
Karl M. als Versuch lesen, sich selbst zu entlasten und eine Erklärung
für die ihm zur Last gelegten Taten zu liefern: Er habe » [ d ]iese Art der
geschlechtlichen Befriedigung « 1031 erst durch Josef B. kennengelernt,
der seinerzeit bei seinem Dienstherrn als Hüterbub beschäftigt gewe-
sen war. Karl M. selbst » würde aber dies aus eigenem Antrieb nie getan
haben, wenn [ er ] nicht hiezu von B. verleitet worden wäre. « 1032
Anders stellten sich die Motive des arbeitslosen achtzehnjährigen
Hilfsarbeiters Walter S. dar, der im November 1936 in Begleitung sei-
nes Stiefvaters am Wachposten DerfflingerstraĂźe erschien und dort ge-
gen zwei unbekannte Männer Anzeige erstattete. S. bemühte sich zu-
nächst, etwaige unzüchtige Handlungen sowie die daran Beteiligten
zu verheimlichen. Eine Anzeige erstattete er nur, weil sein Stiefvater
Verletzungen an seinen Oberschenkeln bemerkt hatte und deswegen
1028 OĂ–LA, BG / LG Linz, Sch 323, Vr VI 1022 / 27, Aussage vom 27. Juni 1927.
1029 OĂ–LA, BG / LG Linz, Sch 323, Vr VI 1022 / 27, Aussage vom 27. Juni 1927.
1030 Jens Rydström führt die höhere Bereitschaft Verdächtiger, von sich aus weitere Un-
zuchtshandlungen zu gestehen, darauf zurĂĽck, dass die Vorstellung, bei Homose-
xualität handle es sich um eine innere Anlage zu einer stärkeren Selbstreflektion
geführt habe. Auch der Umstand, dass Homosexualität in der Gesellschaft stärker
thematisiert wurde und Betroffene teilweise mit Verständnis oder mit » Heilungs-
angeboten « rechnen konnten, habe sie eher geneigt gemacht, ihre Gefühle und
Handlungen zuzugeben, vgl Rydström Jens, Sinners 223.
1031 OĂ–LA, BG / LG Linz, Sch 388, 6 Vr 628 / 32, Vernehmung des Beschuldigten vom
30. März 1932. Zum Rückgriff auf die Verführungstheorie vgl auch Müller Al-
bert / Fleck Christian, Ă–ZG 1998, 410.
1032 OĂ–LA, BG / LG Linz, Sch 388, 6 Vr 628 / 32, Vernehmung des Beschuldigten vom
30. März 1932. Drei Tage nach seiner ersten Vernehmung als Beschuldigter gab
Karl M. auf Vorhalt der Angaben des Josef B. allerdings an, dass nicht B., sondern
er selbst mit den inkriminierten Handlungen begonnen habe, OĂ–LA, BG / LG Linz,
Sch 388, 6 Vr 628 / 32, Vernehmung des Beschuldigten vom 2. April 1932.
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Verkehrte Leidenschaft
Gleichgeschlechtliche Unzucht im Kontext von Strafrecht und Medizin
Aus- und Verhandlungsprozesse vor dem Landesgericht Linz 1918 – 1938
- Title
- Verkehrte Leidenschaft
- Subtitle
- Gleichgeschlechtliche Unzucht im Kontext von Strafrecht und Medizin
- Author
- Elisabeth Greif
- Publisher
- Jan Sramek Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2019
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-7097-0205-5
- Size
- 15.0 x 23.0 cm
- Pages
- 478
- Category
- Recht und Politik