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Verkehrte Leidenschaft - Gleichgeschlechtliche Unzucht im Kontext von Strafrecht und Medizin
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258 VI. Veranlassungsgründe der Strafverfahren Elisabeth Greif • Verkehrte Leidenschaft¶ lichen nachteiligen Folgen geschuldet sein, die durch die Anzeige und die damit normalerweise verbundene Zeugenrolle im Strafverfahren drohten.1081 Insbesondere soziale Hierarchien oder wirtschaftliche Ab- hängigkeiten innerhalb der ländlichen oder städtischen Gemeinschaft waren geeignet, namentliche Anzeigen zu verhindern.1082 Wollten an un- züchtigen Handlungen Beteiligte diese anzeigen, gingen sie außerdem ein Risiko ein: Selbst wenn die unzüchtigen Handlungen nicht in bei- derseitigem Einvernehmen stattgefunden hatten, gelang nur selten der Nachweis, zu den inkriminierten Akten gezwungen worden zu sein. Der Grazer Kriminalist Arnold Lichem vertrat in seiner für die Gendarmerie verfassten Schrift » Ausforschungsdienst « die Ansicht, dass Zwang oder Gewaltanwendung bei erwachsenen Personen, die sich bei Bewusstsein befanden, kaum vorkomme: » In weitaus den meisten Fällen handelt es sich um Einwilligung des anderen Teiles und sind bei Strafmündigkeit beide Teile strafbar. « 1083 War der gleichgeschlechtliche Kontakt erst ein- mal ruchbar geworden, konnte die Berufung auf Stellung und Autorität des » Täters « lediglich als Entschuldigung oder als Erklärung sowohl für eigenes Verhalten als auch für das Unterbleiben der Anzeige dienen.1084 Aber nicht nur eine soziale Besser-, auch eine soziale Schlechterstel- lung der angezeigten Person ließ es mitunter für Anzeigerinnen oder Anzeiger wünschenswert erscheinen, dass ihre Identität unentdeckt blieb. Im Frühjahr 1928 wurde dem Kriminalrayonsinspektor Ludwig Sch. vertraulich mitgeteilt, dass zu der 23-jährigen Linzer Prostituierten Hilda K. ein » Mädchen öfters auf Besuch kommen soll und dass die Bei- 1081 Vgl Geerds Friedrich, Zum Zusichern von Vertraulichkeit bei Anzeigen und Hinwei- sen, in FS Krause ( 1990 ) 451 ( 459 ). 1082 So hatte sich im Juni 1926 unter der Bevölkerung einer oberösterreichischen Landge- meinde das Gerücht verbreitet, dass der 56-jährige Josef F. mit mehreren Personen männlichen Geschlechts Unzucht wider die Natur begangen habe. F. war nicht nur wesentlich älter als fast alle mitverdächtigen Männer, er war zugleich auch Wirt- schaftsbesitzer und Bürgermeister der Gemeinde und stellte damit eine wichtige Au- torität dar. Erst, nachdem sich das Gerücht durch eine Woche hindurch hartnäckig gehalten hatte, wurden die Verdächtigungen dem Gendarmeriepatrouillenleiter Jo- hann P. » von vertrauenswürdiger Seite « zur Kenntnis gebracht, OÖLA, BG / LG Linz Sch 314, Vr VI E 832 / 26, Anzeige vom 15. Juni 1926 sowie Anzeige vom 16. Juni 1926. 1083 Lichem Arnold, Ausforschungsdienst 258. 1084 Der 23-jährige Häuslersohn Joseph P. gab an, » daß er sich da F. das Amt eines Bürgermeisters bekleidete zu ihm nichts zu sagen getraute um von ihm Ruhe zu bekommen. « Der 25-jährige Bauerssohn Franz B. suchte seine Beteiligung an den unzüchtigen Handlungen damit zu entschuldigen, » daß er gegen F., welcher Bür- germeister [ … ] ist, nicht grob sein dürfe, sich daher hingegeben habe. «, OÖLA, BG / LG Linz Sch 314, Vr VI E 832 / 26, Anzeige vom 15. Juni 1926.
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Verkehrte Leidenschaft Gleichgeschlechtliche Unzucht im Kontext von Strafrecht und Medizin
Aus- und Verhandlungsprozesse vor dem Landesgericht Linz 1918 – 1938
Title
Verkehrte Leidenschaft
Subtitle
Gleichgeschlechtliche Unzucht im Kontext von Strafrecht und Medizin
Author
Elisabeth Greif
Publisher
Jan Sramek Verlag
Location
Wien
Date
2019
Language
German
License
CC BY 4.0
ISBN
978-3-7097-0205-5
Size
15.0 x 23.0 cm
Pages
478
Category
Recht und Politik
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