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Verkehrte Leidenschaft - Gleichgeschlechtliche Unzucht im Kontext von Strafrecht und Medizin
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340 VIII. Hauptverhandlung und Urteil Elisabeth Greif • Verkehrte Leidenschaft¶ Bekenntnisses hatten zur Vereidigung ihr Haupt zu bedecken und eine Hand auf die Thora zu legen. Für Angehörige des Islam waren eigene Eidesformeln vorgesehen.1542 Personen, denen das Religionsbekenntnis das Ablegen eines Eides untersagte, hatten die Ermahnung, die Wahr- heit zu sagen, mittels Handschlag zu bekräftigen.1543 » Daß sich bei einer Vereidigung alle Anwesenden erheben, « hielt Lohsing, wenngleich es sich dabei zunächst nicht um ein gesetzliches Erfordernis handelte, für eine » schöne Sitte, gegen die nicht verstoßen werden soll. « 1544 Die 1930 erlassene Geschäftsordnung für erst- und zweitinstanzliche Gerichte sah schließlich in § 59 Abs 4 vor, dass sich sowohl zur Verkündung des Urteils als auch zur Eidesabnahme die Mitglieder des Gerichtes und alle anwesenden Personen zu erheben hatten. Träger des Amtskleides mussten ihr Haupt bedecken.1545 Weder durch die sitzungspolizeiliche Gewalt des Vorsitzenden noch durch die starke Ritualisierung einzelner Verfahrenshandlun- gen ließ sich die Gefahr gänzlich ausschließen, dass das Publikum die ihm durch die Verfahrensordnung zugewiesene Rolle missachten und Würde und Ernst des Gerichts sowie das Zeremoniell eines Strafver- fahrens beeinträchtigen konnte. Dennoch galt die Volksöffentlichkeit als so bedeutsam für den modernen Strafprozess, dass ein genereller Ausschluss von Zuseherinnen und Zusehern von der Hauptverhand- lung gem § 229 StPO 1873 nur aus Gründen der Sittlichkeit oder der öffentlichen Ordnung erfolgen durfte. » Sittlichkeit « sollte dabei nicht mit » Moral « gleichgesetzt, sondern im engeren Sinne von » Sexualsitt- lichkeit « verstanden werden.1546 Als zulässig galt die Beschränkung der Öffentlichkeit, wenn das Sittlichkeitsgefühl durch die vorzunehmen- den Erörterungen beeinträchtigt werden konnte. Diese Gefahr bestand etwa, wenn » in der Verhandlung › unzüchtige Handlungen zur Sprache kommen ‹ « 1547 oder das Schamgefühl einer der beteiligten Personen gefährdet schien.1548 Im Jugendgerichtsverfahren war die Öffentlich- 1542 Vgl Hofdekret vom 26. August 1826, JGS 2217. 1543 Vgl Hofdekret vom 10. Januar 1816, JGS 1201. 1544 Lohsing Ernst, Strafprozessrecht 2 342 Fn 3. 1545 Vgl den entsprechenden Hinweis bei Lohsing Ernst, Strafprozeßrecht 3 254 Fn 26. 1546 Vgl Lohsing Ernst, Strafprozeßrecht 3 180. Auch Friedmann nahm als unbestritten an, dass Sittlichkeit » nur in geschlechtlicher Beziehung zu verstehen « sei, Friedmann Otto, Verhandlungen 8 ( Hervorhebung im Original ). 1547 Friedmann Otto, Verhandlungen 9 ( Hervorhebung im Original ). 1548 Vgl Friedmann Otto, Verhandlungen 9; Mayer Salomon, Handbuch II 130.
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Verkehrte Leidenschaft Gleichgeschlechtliche Unzucht im Kontext von Strafrecht und Medizin
Aus- und Verhandlungsprozesse vor dem Landesgericht Linz 1918 – 1938
Title
Verkehrte Leidenschaft
Subtitle
Gleichgeschlechtliche Unzucht im Kontext von Strafrecht und Medizin
Author
Elisabeth Greif
Publisher
Jan Sramek Verlag
Location
Wien
Date
2019
Language
German
License
CC BY 4.0
ISBN
978-3-7097-0205-5
Size
15.0 x 23.0 cm
Pages
478
Category
Recht und Politik
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