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Sprechen vor Gericht
Elisabeth Greif • Verkehrte Leidenschaft ¶
geladenen Zeuginnen, Zeugen und Sachverständigen und deren Erinne-
rung an die » Heiligkeit des von ihnen abzulegenden Eides « ( § 241 StPO
1873 ) und schließlich, nachdem sich Zeuginnen und Zeugen in das für sie
bestimmte Zimmer begeben hatten, die Verlesung der Anklageschrift be-
ziehungsweise des Antrags auf Bestrafung im vereinfachten Verfahren.1571
Mit der Anklageverlesung, die gem § 243 StPO 1873 bei sonstiger Nich-
tigkeit vorgeschrieben war, endeten die Einleitungshandlungen und der
Strafprozess trat in das eigentliche Verhandlungsstadium: Die Verneh-
mung der Angeklagten und die Durchführung des Beweisverfahrens.1572
Wer vor Gericht vernommen wurde, hatte stehend zu sprechen. Be-
reits Würth hatte es » als der Würde des Gerichts weit entsprechender
erachtet «, wenn Angeklagte und andere Personen, die vor Gericht ver-
nommen wurden oder sich an dieses wandten, dies im Stehen taten. Er
empfahl daher, » diese Sitte der französischen Rechtsausübung « auch in
das österreichische Strafverfahren zu übernehmen.1573 In der Strafpro-
zeßordnung 1873 war die Vernehmung im Stehen schließlich in § 233 ge-
setzlich angeordnet. Im Hinblick auf Körperbeschaffenheit oder Dauer
der Vernehmung konnte der Vorsitzende den Sprechenden allerdings ei-
nen Sitz gestatten. Der Vorsitzende hatte die Vernehmung mit der Frage
an den Angeklagten oder die Angeklagte zu eröffnen, ob er oder sie sich
gemäß der Anklage schuldig bekenne. Wurde die Frage verneint, so wa-
ren die Angeklagten über ihr gem § 245 StPO 1873 bestehendes Recht zu
belehren, der Anklage eine zusammenhängende Erklärung des Sach-
verhaltes entgegenzustellen und nach Vorführung jedes Beweismittels
Bemerkungen darüber vorzubringen. Während in der Voruntersuchung
gem § 198 StPO 1873 ausnahmsweise auch eine schriftliche Beantwor-
tung der Fragen zulässig war, hatte die Vernehmung der Angeklagten in
der Hauptverhandlung jedenfalls mündlich » in der feierlichen Form der
Oeffentlichkeit « 1574 zu erfolgen. Diese verlangte nicht nur von den Ange-
klagten, sondern auch von den Richtern, allen voran vom Vorsitzenden
1571 Das Erfordernis, die Anklageschrift zu verlesen, stieß auf Kritik, da die » Verlesung
der oft sehr einseitig und romantisch, manchesmal sogar leidenschaftlich verfaß-
ten Begründung [ … ] auf jeden Zuhörer – er sei Berufsrichter oder einfacher Volks-
richter – einen präokkupierenden Eindruck machen wird. «, Krenn Theodor, » Die
Verlesung der Anklageschrift « zu Beginn der Hauptverhandlung gem §§ 244 und
314 St.P.O., JBl 1911, 457 ( 458 ).
1572 Vgl Lohsing Ernst, Strafprozeßrecht 3 334.
1573 Vgl Würth Joseph von, Strafprocessordnung 439.
1574 Mayer Salomon, Handbuch II 215 f.
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Verkehrte Leidenschaft
Gleichgeschlechtliche Unzucht im Kontext von Strafrecht und Medizin
Aus- und Verhandlungsprozesse vor dem Landesgericht Linz 1918 – 1938
- Title
- Verkehrte Leidenschaft
- Subtitle
- Gleichgeschlechtliche Unzucht im Kontext von Strafrecht und Medizin
- Author
- Elisabeth Greif
- Publisher
- Jan Sramek Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2019
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-7097-0205-5
- Size
- 15.0 x 23.0 cm
- Pages
- 478
- Category
- Recht und Politik